Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 03. Januar, 2024 — Nanocellulose – kleinste Fasern mit großem Potenzial Neue Wege der Restaurierung brandgeschädigter Musikalien der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

    Die Herzogliche Musikaliensammlung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek stand 2004 im historischen Gebäude auf der 2. Galerie nahe am Brandherd. Deshalb wurde sie durch die Brandkatastrophe besonders stark beschädigt (Bild 1) [1]. Diese Sammlung gehört zu den wertvollsten Beständen der Bibliothek. Entstanden ist sie aus den privaten Notensammlungen der Herzoginnen Anna Amalia und Maria Pawlowna von Sachsen-Weimar-Eisenach. Der in sich geschlossene Bestand von 800 Handschriften und ca. 2.100 zum Teil einmaligen Drucken umfasst vor allem musikalische Werke des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts [2, 3]. Die Sammlung ist wissenschaftlich bedeutsam und hat einen großen Anteil von Handschriften und Unikaten. Deshalb empfahlen Fachleute, möglichst ALLE Informationen wiederherzustellen. Ein wissenschaftlicher Beirat und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HAAB entschieden dann gemeinsam, alle, selbst die im verkohlten Rand verborgenen Informationen der wertvollen Manuskripte mittels Multispektral-Digitalisierung wieder zugänglich zu machen [4, 5], damit Forscher und Nutzer diese digital nutzen können (Bild 2).

    Die Musikalien haben schwere und sehr unterschiedliche Schadensbilder, so dass sie teilweise unlesbar sind bzw. gar nicht angefasst werden können [5, 6, 7].
    Deshalb müssen Restauratoren sie für die Digitalisierung vorbereiten. Dazu nutzen sie minimalinvasive Methoden, und zwar solche, die zu keinen optischen Veränderungen führen, damit die Informationen sichtbar bleiben. Dafür wurde ein neues Material, nämlich Nanocellulose, gefunden. Restauratorinnen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe, gelang es gemeinsam, nanofibrillierte Cellulose als stabilisierendes, optisch unauffälliges Material bei der Konservierung der Musikalien-Handschriften und -drucke einzusetzen. [5]. Das Material wird im Sprühverfahren aufgetragen. Das ermöglicht einen berührungslosen, sehr gleichmäßigen Auftrag.

    Die nanofibrillierte Cellulose ist aufgrund ihrer Dimensionen im Nanometerbereich (Bild 3) sehr gut in der Lage, sich über ihre großen Oberflächen mit Papierfasern
    zu verbinden und geschädigte Papiere lokal oder flächig zu stabilisieren – und das klebstofffrei [8]. Es bilden sich ganz dünne, gleichmäßige Netzwerke auf der hitzegeschädigten Papieroberfläche der Musikalien. Sie stabilisieren die fragilen, verkohlten Randbereiche und verbinden sie mit der weniger geschädigten Papiersubstanz (Bild 4). Dadurch können die Papiere wieder angefasst werden. Darüber hinaus erfüllt das Material die Anforderung, dass alle Informationen wieder sichtbar gemacht werden können.

    Seit 2022 wenden wir dieses Sprühverfahren zur Konservierung der Musikalien in der Lehrwerkstatt der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar-Legefeld an. Aktuell arbeiten wir auch an der Überführung dieser Methode in ein maschinell unterstütztes Mengenverfahren, um größere Mengen der schwerst geschädigten Notenmanuskripte behandeln zu können. Ungefähr 60.000 Blatt der Musikaliensammlung sind für diese Behandlung vorgesehen. So soll eines der wertvollsten Konvolute aus den 1,5 Millionen Blatt der 2004 geborgenen Aschebücher erhalten, digitalisiert und für die Forschung wieder zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus eröffnen die Materialfähigkeiten der nanofibrillierten Cellulose in der Papierkonservierung und -restaurierung ganz neue Anwendungsperspektiven in Hinblick auf fragile Objekte, die bisher als unbehandelbar galten.

    [1] Weber und Hähner, Imhof Verlag, 2014. [2] Fabian, Olms Neue Medien, 2003. [3] Geyer, In: [1], S.
    56-59. [4] Barkow et al., In [1], 139-143. [5] Völkel et al., Small 2022, 2105420. [6] Ahn et al., Scientific
    Reports 2018, 12036. [7] Völkel et al., Cellulose 2022, 6373-6391. [8] Völkel et al., Heritage Science
    2017, 5 (23).

    Erläuterungen zu den Abbildungen

    Bild 1: Die Drucke und Handschriften der herzoglichen Musikaliensammlung wurden beim Brand der Bibliothek schwer beschädigt. Sie weisen sehr unterschiedliche Zustände auf. Allen gemein sind die ausgeprägten Hitzeschäden an den Blattkanten.

    Bild 2: Aufgrund der ausgeprägten Hitzeschäden am Blattrand sind Noten in dem schwarzen Ascherand verborgen. Diese müssen gesichert und wieder lesbar gemacht werden.

    Bild 3: Nanofibrillierte Cellulose wird aus Papierfasern gewonnen. Diese werden chemisch und mechanisch in ihre kleinste Einheit zerfasert bzw. zerlegt. Es wird eine wässrige Suspension mit freigelegten Elementarfibrillen gewonnen.

    Bild 4: Die Notenhandschrift (Scha BS Mus Hs 00031) wurde aufgrund des ausgeprägten Hitzeschadens und den mechanischen Schäden am Rand mit nanofibrillierter Cellulose stabilisiert. So kann diese Handschrift mit ihren Informationen im verkohlten Bereich digitalisiert und damit nutzbar gemacht werden.

    Dr. Laura Völkel HAAB Abteilung Bestände Projektmitarbeiterin Brandfolgenmanagement