Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

Blog

  • 02. Juni, 2016 — Das gerettete Berlioz-Manuskript

    • Fragment aus der Ouvertüre zur Oper »Les Francs-Juges« von Hector Berlioz – Uraufführung: Paris 1828 (Kopie, kein Autograph)

    Das Manuskript der Ouvertüre zur Oper »Les Francs-Juges« – dt. »Die Femerichter« – von Hector Berlioz (1803–1869) gehört zu den nach dem Brand geretteten, aber stark beschädigten Musikalien der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. 80 von 97 Seiten sind erhalten, aber die ersten Seiten und das Titelblatt der Komposition fehlen. Warum handelt es sich? Das aufzuklären, das war ein »Fall« für Christian Märkl. Er hat an der Hochschule für Musik »Franz Liszt« in Weimar Komposition studiert und widmet sich in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Identifizierung beschädigter Musikalien. Im Fragment der Ouvertüre entdeckte er die französischen Bezeichnungen der Instrumente, darunter eine Ophikleide, ein dem Fagott ähnliches Blechblasinstrument. Das wurde selten verwendet und auch erst im 19. Jahrhundert entwickelt. Über diese Spur konnte Christian Märkl das Werk von Berlioz identifizieren. Wie die Abschrift in den Besitz der Bibliothek gelangte und wer sie gefertigt hat, das ist noch ungeklärt. Sicher ist, dass das Werk am 19. März 1837 in Weimar aufgeführt wurde.

    Hector Berlioz gehört zu den wichtigsten französischen Komponisten des 19. Jahrhunderts. Er war mehrfach in Weimar zu Gast. Franz Liszt und seine Gefährtin Fürstin von Sayn-Wittgenstein haben ihn geschätzt und gefördert. Berlioz’ Oper 1846 in Paris uraufgeführte Oper »La damnation de Faust« – dt. »Fausts Verdammnis« – basiert auf Goethes Faust.

    Für die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist mit Berlioz’ Werk ein wertvolles, verlorengeglaubtes Manuskript gerettet, denn es lässt sich restaurieren. Spenden dafür und für die Restaurierung vieler anderer Werke sind weiterhin willkommen.

    Maria Socolowsky

  • 26. April, 2016 — Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

    • Dr. Michael Knoche präsentiert der Presse die von ihm 2004 aus der brennenden Anna-Amalia Bibliothek gerettete Lutherbibel.

    Kurz erinnere ich mich anlässlich dieses Fests der ersten Begegnung mit Ihnen, lieber Dr. Knoche:

    Als ich mit unseren jüngeren Kindern nach Weimar kam, 2002, mein Mann war gerade ein Jahr lang Präsident der Klassik Stiftung Weimar, traf ich sehr bald schon Michael Knoche. Klar, ich als Buchmensch, als Schreibende, war sofort in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Stammgast. Da gab es noch den kleinen Lesesaal im Historischen Gebäude, die unglaublich enge Situation der Ausleihe, die Zettelkataloge … und dennoch:

    Die Perspektiven waren alle schon da, neue Gebäude, mehr Platz, Computerrecherche, alles das war in Planung. Und: Michael Knoche wollte einen Freundeskreis gründen für die Bibliothek. Ich war gleich begeistert. Aber als er vorschlug, ich könnte ein Vorstandsmitglied sein, wich ich erst mal zurück: In einem Verein? Ich?

    Ein Verein ist doch etwas für Alte, ein Verein hat viele Regeln zu beachten, Satzungen zu befolgen – das passt nicht zu mir. Nicht umsonst bin ich nicht so etwas wie Schuldirektorin geworden sondern freie Schriftstellerin.

    Aber mit freundlicher Beharrlichkeit hat Michael Knoche meine Argumente entkräftet und auf den Gewinn hingewiesen. Ein Buch jedoch über die Vereinsarbeit an sich mit allerlei formalen Ratschlägen liegt ungelesen irgendwo bei mir …

    Der im Mai 2003 gegründete Verein hatte bald gar 67 Mitglieder, bis der Brand am 2. September 2004 das kleine Pflänzchen GAAB – letztlich zu einem radikalen – Aufblühen (sic!) brachte. Und immer war Michael Knoche an unserer Seite, kaum gab es eine Sitzung, die er je versäumte, oft selbst Protokoll führend.

    Und er soll jetzt in den Ruhestand gehen? Er, der die Lutherbibel gerettet hat (siehe Foto von 2004), der Marathon läuft, keinerlei Abnutzungserscheinungen aufweist … und dazu sollen wir ihm gratulieren?
     
    Nein, dazu natürlich nicht, denn von Ruhestand kann überhaupt noch keine Rede sein. Zu seinem Geburtstag nämlich schenkt Michael Knoche sich selbst die Tagung »Die Zukunft des Sammelns an wissenschaftlichen Bibliotheken« und hält damit ein entschlossenes Plädoyer für das bibliothekarische Konzept des Sammelns, das heute zunehmend in Frage gestellt wird.
     
    Zum Geburtstag, lieber Michael Knoche, von Herzen alles Gute!!!
     
    Annette Seemann für den Vorstand der GAAB:
    Wolfgang Haak
    Petra Seelig
    Maria Socolowsky

    Dr. Annette Seemann | Vorsitzende der GAAB

  • 21. April, 2016 — Die Büchersammlung Adolf von den Veldens und ihre Geschichte

    • Projektapparat: van den Velden

    Jedes als NS-Raubgut identifizierte Buch, jede Sammlung erzählt eine Geschichte. Im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek steht zu Zeit die »Mobile Vitrine« der Klassik Stiftung. Sie ist dazu gedacht, Interessierte über die Provenienzforschung der Klassik Stiftung zu informieren. Dokumente und Fotos veranschaulichen die Geschichte der Büchersammlung von Arthur Goldschmidt aus Leipzig. Ein weiterer Fall ist die Sammlung von Adolf von den Velden aus Weimar. Bibliothekare der HAAB sind bei ihrer Suche nach NS-Raubkunst auf diese Sammlungen gestoßen.

    Die Familie von den Velden stammt aus Frankfurt und hat seit 1892 in Weimar gelebt. Adolf von den Velden war damals ein bekannter Maler und Genealoge. Er malte Wandteppiche mit Stammbäumen und Ahnentafeln, die damals sehr beliebt waren. Adolf von den Velden hatte der Weimarer Bibliothek seit 1902 mehrere Ahnentafeln und Bücher zum Beispiel zu Wappen- und Siegelkunde geschenkt. Er starb 1932.

    Seine Frau Else von den Velden ist im März 1942 im Alter von 78 Jahren in Weimar gestorben. Ihre Tochter Esther, damals Mitte 50, hat sich nur wenige Wochen später das Leben genommen.

    Dazu existiert die Notiz eines Arztes, der den Tod festgestellt hat. Es gibt auch Berichte darüber, dass der Selbstmord zunächst misslang, der Arzt sie dann aber hat sterben lassen. Über das Leben der beiden Frauen fanden sich keine Dokumente. Die Übernahme der Bibliothek der Familie von den Velden ist dagegen akribisch in den Zugangsbüchern der damaligen Thüringischen Landesbibliothek vermerkt. 453 der 475 Bände kamen in der Nazi-Zeit in Bestand. Die Klassik Stiftung stufte sie deshalb als Raubkunst ein. Die Erben wurden gesucht und gefunden. Die Sammlung wurde zurückgegeben.

    Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek bekam einen Band als Geschenk und konnte alle anderen Bücher der Sammlung ankaufen. Damit befindet sie sich heute rechtmäßig im Besitz der Klassik Stiftung. Für die Familie war es wichtig, dass die Sammlung von Adolf von der Velden an einem Ort zusammenbleibt und weiterhin für die Forschung zur Verfügung steht.

    An das Schicksal von Else von den Velden und ihrer Tochter Esther erinnern so genannte »Stolpersteine«. Sie sind im Vorjahr vor ihrem ehemaligen Weimarer Wohnhaus in der Freiherr-vom-Stein-Allee 10 verlegt worden. Die Klassik Stiftung hat die Patenschaft für diese beiden »Stolpersteine« übernommen.

    Maria Socolowsky

  • 21. April, 2016 — Die Suche nach NS-Raubgut in der HAAB

    Die Klassik Stiftung Weimar durchsucht bereits seit mehreren Jahren ihre Bestände nach Objekte, die während der Nazizeit Verfolgten unrechtmäßig weggenommen wurden und dann unter anderem auch in öffentliche Einrichtungen kamen.

    Die damalige Thüringische Landesbibliothek hatte in der Nazi-Zeit einen Zugang von rund 35.000 Büchern. Rund 10.000 Bücher gelten als verdächtig, NS-Raubgut zu sein, sagt die Bibliothekarin Annett Carius-Kiehne. Über 6.000 sind bereits überprüft.

    Für Annett Carius-Kiehne ist das nur ein kleiner Teil ihrer Arbeit in der HAAB. Den Hauptpart bewältigt eine Bibliothekarin, deren Stelle unsere Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e. V. finanziert.

    Ohne diese Hilfe könnte die Herzogin Anna Amalia Bibliothek diese Arbeit gar nicht leisten, sagt Annett Carius-Kiehne.
    Zunächst muss ein Buch identifiziert werden. Anhand der alten Signaturen wird in Katalogen, Zettelkästen von einst und an den verschiedenen Standorten gesucht – im Magazin oder auch im Rokokosaal. Manchmal wurden Signaturen verändert, das Buch ist nicht auffindbar oder verbrannt. Manche Bücher können sich aber auch unter den Aschebüchern befinden, die nach dem Brand 2004 noch längst nicht alle durchgesehen werden konnten.

    Ist ein Buch entdeckt, suchen die Bibliothekarinnen Christine Störr und Annett Carius-Kiehne nach Provenienzspuren – z. B. nach Widmungen oder Ex Libris.

    Oftmals finden sich keinerlei Hinweise. Dann folgt der Vermerk: »Wir können verfolgungsbedingten Entzug nicht ausschließen.«

    Finden die Bibliothekarinnen Hinweise auf frühere Besitzer, dann übernehmt das Projektteam der Klassik Stiftung Weimar den Fall.
    Drei Historiker und zeitweise auch eine Juristin suchen nach möglichen Erben des Buches oder der Sammlung. Wie sie vorgehen und mit wem sie auch international zusammenarbeiten, das ist schon wieder eine andere Geschichte.

    Maria Socolowsky