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‹ alle Blogartikel anzeigen26. Februar, 2022 — Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben – Neuerwerbungen populärer Literatur um 1800 - Teil 1: Christian August Vulpius
Der bekannte Erfolgsschriftsteller Christian August Vulpius, Bruder von Christiane und Schwager Goethes, war seit 1797 als Bibliothekar für die Erschließung und Bereitstellung von Büchern verantwortlich. Seine eigenen Werke gehörten allerdings nicht dazu. Sie waren zwar überaus populär beim Lesepublikum – vor allem seine Roman-Trilogie Rinaldo Rinaldini, die zahlreiche Übersetzungen und Auflagen erfuhr. Aber in institutionellen, fürstlichen Bibliotheken fand diese Art der als minderwertig geltenden Unterhaltung keinen Platz, auch nicht in Weimar.
Erst in den 1920er und 1930er Jahren änderte sich der Blick auf diese einst so populären Texte. Und so fanden Vulpius’ Liebes-, Geister- oder Räuber-Geschichten, seine Operetten und historischen Dramen doch noch Eingang in die Sammlungen der Weimarer Bibliothek. Diese Erwerbungen werden bis heute fortgesetzt und das zu Recht. Denn erst durch diese Literatur abseits des Kanons bekommen wir ein deutlicheres Bild von der Epoche um 1800 und erfahren »Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben«, wie es Walter Benjamin im Titel eines Hörspiels von 1932 ausdrückte.
Zwei Werke von Vulpius, die sich bislang noch nicht im Bestand befanden, konnte die Herzogin Anna Amalia Bibliothek im Februar 2022 erwerben. Bei dem ersten handelt es sich um »Gabrino. Einer der abentheuerlichsten Ritterromane, mit eben so abentheuerlicher Musik«, das 1786 bei Rellstab in Berlin erschien. Der Literaturwissenschaftler Alexander Košenina bezeichnet ihn als »erotisch-satirischen Operetten-Roman«. Er sieht darin ein neues Genre, das Vulpius geschaffen habe, nicht zuletzt dank der Gesangseinlagen mit Noten, um die er seinen Roman ergänzt hat. Vulpius nimmt deutliche Anleihen aus Ritterromanen, die er allerdings immer wieder ironisch wendet. Am Anfang des Romans steht die Entführung der sizilianischen Königstochter Zelminde, die ihren Entführer zur Erhaltung des Königreiches Sizilien heiratet und mit ihm einen Sohn hat: Gabrino, den Titelhelden. Eine lange Wanderschaft und unzählige Abenteuer später steht am Ende schließlich auch dessen Hochzeit.
Das zweite Werk, das erworben werden konnte, ist »Der Schleier. Eine Operette in drei Aufzügen von C. A. Vulpius. In Musik gesetzt von E. W. Wolf«. Es erschien 1789 bei Johann Andreas Lübecks Erben. Feen, Prinzen, Zwerge und Geister bevölkern diese Operette. In Mittelpunkt steht ein zauberhafter Schleier, der einer wahren und tugendhaften Prinzessin ewige Schönheit verleiht. Mit ihm reist der Prinz Markomir nach Ägypten, auf der Suche nach einer schönen Frau, die ihm im Traum begegnet ist. Er findet sie in Prinzessin Bellamira, der er schließlich – nachdem er einige Gefahren überstanden hat – den Schleier aufsetzen kann.
Claudia Streim Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Herzogin Anna Amalia Bibliothek