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‹ alle Blogartikel anzeigen09. März, 2018 — Tasso kommt nach Weimar zurück – Die Geschichte eines wiedergefundenen Buchs
Im Oktober 2016 fand ich zufällig im Katalog des Antiquariats Rappaport in Rom eine prachtvolle, 1735 in Urbino gedruckte Ausgabe der Gerusalemme liberata von Torquato Tasso (1544–1595). Es handelt sich dabei um eine elegante Ausgabe in Folioformat mit 20 ganzseitigen Kupferstichen von Arnold van Westerhout (1651–1725) nach Originalzeichnungen von Antonio Tempesta (1555–1630) [Abb. 1].
Diese Ausgabe, die sicher zu den schönsten von Tassos Epos gehört, hatte für mich einen besonderen Wert, da sie aus dem Besitz von Adele Schopenhauer stammte, wie das Ex Libris auf der inneren Einbandseite zeigt [Abb. 2]. Dieses schlichte, kleine Etikett lieferte einen weiteren Hinweis auf die Herkunft des Buchs: das Ex Libris hatte ihr Patenkind, Wolfgang Maximilian Goethe, angefertigt, dem sie per testamentarischer Verfügung ihre Bücher nach Jena zur Verwahrung gegeben hatte, als sie 1844 beschloss, nach Italien aufzubrechen. Nach dem Tod seiner Taufpatin, die am 25. August 1849 in Bonn gestorben war, ließ Wolfgang Maximilian diese Etiketten zur Erinnerung in den ihm hinterlassenen Bänden anbringen. Leider ist die bemerkenswerte Bibliothek von Wolfgang Maximilian von Goethe (die auch die Bände enthielt, die er von seinem Großvater Johann Wolfgang als Geschenke erhalten hatte, sowie diejenigen, die er von seinem Vater August und von seiner Großmutter mütterlicherseits, Henriette von Pogwisch, geerbt hatte) bislang noch nicht eingehend untersucht worden. Er hinterließ die Bibliothek per Testament der Jenaer Universitätsbibliothek, aber unerklärlicherweise wurde ein Teil davon 1905 bei einer Auktion in Kiel versteigert.
Im ersten Band des Auktionskatalogs finden wir unter der Nr. 252 auch tatsächlich unsere Edition der Gerusalemme liberata. Unter der nächsten Nummer des Auktionskatalogs findet sich eine weitere Tasso-Edition, nämlich diejenige, die Carl Ludwig Fernow 1809 für den Jenaer Verleger Frommann herausgegeben hat. Auch dieses Exemplar gehörte Adele Schopenhauer. Fernow war nicht nur der Lehrer für italienische Sprache und Literatur von Johanna Schopenhauer, sondern auch ein enger Freund von Adeles Mutter. Die energische Witwe nahm ihn in ihrem Haus auf, pflegte ihn in seinem letzten Lebensjahr uneigennützig und schrieb schließlich seine Biographie. Fernow zeigte sich mit zahlreichen Geschenken erkenntlich, darunter Zeichnungen von Asmus Carsten und alte Bücher.
Vielleicht kann man auch für unsere Tasso-Ausgabe von 1735 unterstellen, dass sie zur berühmten italienischen Bibliothek von Fernow gehört hat, die sich heute in der HAAB befindet. Wir können das bis heute nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls konnte die HAAB diese prachtvolle Ausgabe der Gerusalemme liberata aus dem 18. Jahrhundert in der Antiquariatsbuchhandlung Rappaport in Rom erwerben. Sie kehrt damit in die Stadt zurück, in der sie sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon einmal befunden hat, und vervollständigt so auf großartige Weise den ohnehin schon reichen Bestand an Tasso-Ausgaben in Weimar.
Francesca Müller-Fabbri