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‹ alle Blogartikel anzeigen13. Februar, 2021 — HAAB online geöffnet – Bibliotheksalltag in Corona-Zeiten
Maria Socolowsky (MS) sprach darüber mit dem Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) Dr. Reinhard Laube (RL).
MS Die HAAB ist bis auf weiteres für den Publikumsverkehr geschlossen, aber online bleibt die Bibliothek geöffnet. Wie groß ist das Medienangebot, auf das Nutzerinnen und Nutzer derzeit online zugreifen können?
RL Wir haben unser Online-Angebot seit dem Frühjahr 2020 intensiv ausgebaut. So ist es jetzt möglich, auch außerhalb des Stiftungsnetzes auf unsere Online-Angebote zuzugreifen. Alles was Sie dafür brauchen, ist ein Bibliothekskonto, für das Sie sich online anmelden können.
Wir haben ein attraktives Angebot lizenzierter Online-Angebote zusammengestellt: Zeitungen, Zeitschriften, E-Books und Online-Datenbanken. Sie können zum Beispiel die »Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft« oder die Datenbank »Nietzsche Online« problemlos von zu Hause aus aufrufen und damit arbeiten. Extra erstellte Online-Tutorials helfen Ihnen bei der Benutzung. Alle diese Angebote werden gerade jetzt intensiv genutzt. Parallel dazu sind wir weiterhin dabei, viele Drucke aus unseren Sammlungen zu digitalisieren. Im Rahmen unserer Vermittlungsschwerpunkte digitalisieren wir zum Beispiel in diesem Jahr verstärkt Gartenliteratur. Durch Projekte wie etwa »Goethe im Almanach 2.0« oder das Verbundprojekt zu den im deutschen Sprachraum erschienenen Drucken des 18. Jahrhunderts digitalisieren wir auch zahlreiche sehr seltene Bücher, die sich teilweise nur noch in unseren Sammlungen finden. Von Nutzerinnen und Nutzern besonders gefragt sind unsere Handschriften. Viele von ihnen stehen bereits digital zur Verfügung. Interessierte erhalten auf unserer Website Hilfe bei der Nutzung unserer Angebote. Wir stehen aber auch montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr telefonisch für Auskünfte zur Verfügung. Bestellungen sind weiterhin möglich. Bei sehr dringenden Literaturwünschen suchen und finden wir pragmatische Lösungen.
MS Welche besonderen Herausforderungen bringt die derzeitige Pandemie für Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bibliotheksalltag mit sich?
RL Die Herausforderung bestand – und besteht noch immer – darin, das Haus intern und extern auf eine digitale Kommunikation umzustellen. Wir haben versucht, soweit wie möglich Homeoffice zu ermöglichen. Es gibt aber Bereiche, in denen das nur eingeschränkt geht – z. B. die Arbeiten im Magazin, in den Werkstätten, wie der Restaurierung, und in der Erwerbung. Bücherpakete, die ankommen, müssen ausgepackt, inventarisiert und katalogisiert werden. Auch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Service, die die telefonische Auskunft übernehmen, sind weiterhin vor Ort. Die geltenden Hygiene- und Abstandsregeln werden dabei eingehalten. Wir halten Abstand, bleiben aber in Verbindung.
MS Im Stammhaus der Bibliothek wird es neben dem Rokokosaal bald noch einen Anziehungspunkt für das Publikum geben. Im Renaissance-Saal im Erdgeschoss soll eine Ausstellung zu Lucas Cranach »Cranachs Bilderfluten« barrierefrei zu sehen sein. Wie weit sind die Vorbereitungen dafür gediehen?
RL Ich finde es großartig, dass die Bibliothek zusammen mit den Museen der Stiftung Cranachs Bildsprache der Reformation und damit das 16. Jahrhundert auch mit gedruckten Werken zum Thema einer Ausstellung machen kann. Das geschieht aus dem Blickwinkel eines jungen Kuratoren-Teams im Renaissancesaal der Bibliothek und damit in einem zeitgenössischen Raum. Voraussichtlich ab Anfang 2022 zeigt die Schau Objekte von Lucas Cranach dem Älteren, dem Jüngeren und ihrer Werkstatt. Alle Medien, die sie beherrschten, sind vertreten: Gemälde, Graphiken, illustrierte Bücher, Drucke und Medaillen.
Diese»Bilderflut« verbindet die Ausstellung mit Fragen, die bis heute aktuell sind: Bilder transportieren Meinungen, positionieren sich im Kampf um den richtigen Glauben. Wie wahrhaftig ist das Gezeigte? Wie wird mit Bildern Politik gemacht?
Die Neugestaltung des Erdgeschosses war und ist mit einigen Baumaßnahmen verbunden. Der Renaissancesaal musste klima- und sicherheitstechnisch so ertüchtigt werden, dass die Cranach-Werke und andere wertvolle Exponate wie die Lutherbibel von 1534 auch gezeigt werden dürfen. Außerdem sollten die Wegeführung und die barrierefreien Zugänge verbessert werden. Das alles gut »unter einen Hut« zu bringen, kostet die federführende Bauabteilung der Klassik Stiftung und die Denkmalpfleger, aber auch uns in der Bibliothek Nerven, Zeit und Kraft. Ergebnis Stand Mitte Februar 2021: Künftig sollen wieder alle Besucherinnen und Besucher das Stammhaus über den historischen Haupteingang von Clemens Wenzeslaus Coudray betreten, der seit der Wiedereröffnung 2007 nur von Angestellten und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen verwendet wurde. Es wird geprüft, wie der 2007 in das Foyer eingebrachte und beliebte Bodenbelag aus grünen Keramikfliesen – eine moderne Interpretation der einst im »Grünen Schloss« vorhandenen Fliesen – erhalten werden kann.MS Die Sammlungen der HAAB werden ständig ergänzt und erweitert. Über welche Neuerwerbungen können Sie sich freuen?
RL Die HAAB hält bei Auktionen und in Antiquariaten Ausschau nach Bänden und Sammlungen u.a. zur Aufklärung, zur Französischen Revolution, zur Geschichte des Buches sowie der Lektüre und des Sammelns von Büchern. Darunter sind viele Werke, die wir in unseren Ausstellungsvitrinen und bei besonderen Terminen exklusiv dem Freundeskreis, der GAAB, vorstellen möchten. Eine besondere Neuerwerbung der HAAB ist die umfangreiche, rund 1750 Bände umfassende Atlanten-Sammlung, die Jürgen Espenhorst zusammengetragen hat. Den Schwerpunkt dieser Sammlung bilden Kartenwerke, die im 1804 von Bertuch gegründeten Geographischen Institut in Weimar erschienen sind. Im Frühjahr kommt diese Sammlung in unser Haus. Hoffentlich dürfen wir sie dann auch schon öffentlich vorstellen.
MS Welche Veranstaltungen und Publikationen planen Sie in nächster Zeit – vorausgesetzt die Umstände lassen es zu?
RL Wir beteiligen uns mit einer Präsentationan am Themenjahr der Klassik Stiftung »Neue Natur«. Wir zeigen eine hervorragend illustrierte Buchhandschrift des 16. Jahrhunderts, den Codex Kentmanus, einem Werk über die um 1550 in der Elbe heimischen Fischarten. Dieser Foliant enthält naturkundliche Manuskripte und mehr als 300 Illustrationen von Pflanzen und Tieren der Elbe-Region sowie Italiens. Die Originale können wir aus konservatorischen Gründen nur an ausgewählten und restauratorisch begleiteten Terminen zeigen. Deshalb haben wir uns für eine Präsentation des Codex im Bücherkubus entschieden unter dem Titel »Land. Fluss. Kentmanus. Natur erforschen im 16. Jahrhundert«. Hier zeigen wir vom 17.04. bis zum 31.10.2021 insgesamt 27 auf Acrylglas reproduzierte Bildmotive aus dem Codex, so dass jeder Gelegenheit bekommt, diese einmalige Buchhandschrift kennenzulernen. Allen, die nicht nach Weimar kommen können, sei ein Blick in unsere Digitalen Sammlungen empfohlen. Dort können Sie digital im Codex Kentmanus blättern.
Darüber hinaus wird im Römischen Haus eine interaktive Medienstation die historische Gartenliteratur der Bibliothek vermitteln. Das Interesse des Herzogs Carl August an Botanik und Gartenthemen steht hier im Mittelpunkt. Vor den thematischen Parkführungen, die vom 24.04. bis 31.10.2021 jeweils samstags stattfinden werden, haben Interessierte außerdem die Gelegenheit, im neuen Sammlungspräsentationsraum auf der zweiten Galerie des Rokokosaals historische Bücherschätze im Original zu sehen.
Die Vortragsreihe »Konstellationen. Neue Sichten der Bibliothek« werden wir fortsetzen – u.a. mit einem Vortrag zum »Codex Kentmanus«. Auch die Reihe »Übersetzen!- Das ›Schreiber-Sofa‹ im Bücherkubus« geht weiter – zunächst digital mit den Themen »Den Westen übersetzen« und »Den Wald übersetzen«. Zudem freuen wir uns, mitteilen zu können, dass nun ein zweiter Band in der Reihe »Konstellationen. Neue Sichten der Bibliothek« erschienen ist: »Neues von Junker Jörg« des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann zur Neudatierung des Gemäldes »Junker Jörg« von Cranach. Diese Veranstaltungen und Publikationen wären ohne die finanzielle Unterstützung der GAAB nicht möglich. Auch dafür möchte ich mich sehr herzlich bei der Gesellschaft bedanken.Maria Socolowsky