Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 28. Juni, 2022 — Goethes Bibliothek digital neu betrachtet und durchschritten

    »Goethes Arbeit mit Büchern: Wege durch eine Autorenbibliothek« lautet der Titel einer digitalen Ausstellung, die zum 190. Todestag von Johann Wolfgang von Goethe eröffnet wurde. Diese bietet ausgewählte Einblicke in sein literarisches und wissenschaftliches Schaffen in seinem Wohnhaus am Weimarer Frauenplan: Zu sehen sind zwei der seltenen handschriftlichen Eintragungen mit Bleistift, den Goethe der kratzenden Feder vorzog. Wir schauen ihm bei seiner Übersetzung der Biographie Benvenuto Cellinis über die Schulter, erfahren mehr über die gegenseitige Wertschätzung Goethes und Alexander von Humboldts, sehen, wie sich Wolken in Poesie verwandeln, und wir begegnen fremden Kulturen.

    Die Ausstellung entstand aus dem Projekt »Goethe digital. Eine Bibliothek als Sammlungsraum«, in dem Stefan Höppner und Ulrike Trenkmann (Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel) Goethes Bibliothek mit digitalen Mitteln neu betrachten und auswerten. Weitere Informationen enthält das gleichnamige Labor. Dem vorausgegangen ist eine intensive Erschließungsphase von Goethes Büchern. Über diese hat Stefan Höppner in dem Beitrag »Goethes Bibliotheken in Weimar: Ein Projekt zieht Bilanz« in Supralibros 23 (2019) berichtet.

    Zugänglich sind die Bände aus Goethes privater Bibliothek über den digitalen Katalog »Goethe Bibliothek Online«. Bereits digitalisierte Bücher können Sie in den Digitalen Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek angesehen. Diese werden derzeit um Goethes Karten bereichert. Eine digitale Auswertung ermöglicht grundsätzlich genauere statistische Angaben. Neue Erkenntnisse zu Goethes Büchersammlung erlauben vor allem: eigenhändige Namenseinträge, Monogramme und handschriftliche Notizen Goethes, die in etwa zwei Prozent der vorhandenen Bände vorkommen. Wiederholt finden sich An- und Unterstreichungen mit Bleistift, die bezogen auf den Inhalt der Textstelle ebenfalls Goethe zuzuweisen sind. In nicht einmal der Hälfte der Bände ist Goethes posthum angefertigtes Exlibris eingeklebt.

    Goethes Büchersammlung ist vor allem eine Bibliothek des 19. Jahrhunderts. Fast drei Viertel der überlieferten Drucke sind nach 1800 erschienen, mit einem hohen Anteil ab den 1820er Jahren. Das lag zum einen an der ansteigenden Buchproduktion und zum anderen an der wachsenden Anzahl von Bucheinsendungen. Zudem sortierte Goethe ältere oder für ihn nicht (mehr) interessante Bände aus, die er verschenkte oder auf Auktionen gab. Das zeigt, dass die Bibliothek ein dynamisches Gebilde gewesen ist. Diese nicht mehr vorhandenen Bücher werden ebenfalls sukzessive im Online-Katalog verzeichnet, sofern sie sich noch nachweisen lassen.

    Vergleichende Betrachtungen zeigen, dass Goethes Bibliothek zahlreiche Sprachen enthält. Bei über 70 Prozent handelt es sich um deutschsprachige Drucke. Danach folgen mit je etwa 10 Prozent Latein und Französisch, bei den modernen Sprachen ferner Englisch, Italienisch und Spanisch und weitere Sprachen bis hin zu Sanskrit und Arabisch.

    Etwa ein Zehntel der Bücher sind unaufgeschnitten oder nur teilweise aufgeschnitten. Dies bedeutet jedoch nicht immer, dass Goethe die Titel nicht gelesen hat. In einigen Fällen lieh er sich ein anderes Exemplar aus der herzoglichen Bibliothek aus. Diese Ausleihen und auch jene aus der Jenaer Universitäts- und Schlossbibliothek sind komplementär heranzuziehen, wenn es um die Beschäftigung mit Goethes Lektüren geht. Insofern sagt seine vorhandene private Bibliothek nur begrenzt etwas darüber aus, was er tatsächlich gelesen hat.

    Besonders aufschlussreich ist es, Bucheinsendungen anhand von Widmungen, Briefen und Rechnungen zu erfassen. Sie geben Auskunft über Goethes Beziehungen zu anderen Autoren und seinem sozialen Netzwerk. Besonders erhellend ist die Feststellung, dass Goethes Bibliothek zu mindestens 40 Prozent aus eingesandten Büchern besteht. Darunter befinden sich zahlreiche unaufgefordert eingesandte Werke, teils von jungen Schriftstellern, die um seine Beurteilung baten. Mit der Open-Source-Software DARIAH-DE Geo-Browser haben wir ausgewählte Einsendedaten (Person, Ort, Datum) kartiert, um zeitliche und räumliche Entwicklungen von Goethes Netzwerken umfassender betrachten zu können.

    Abschließend möchten wir Ihnen unsere Reihe »Goezwitscher« mit kurzweiligen Texten zu ausgewählten Büchern aus Goethes privater Bibliothek empfehlen – Lieblingsstücke, Unikate und bisher weniger beachtete Exemplare. Und druckfrisch zur vertiefenden Lektüre erschienen: Stefan Höppner, Goethes Bibliothek. Eine Sammlung und ihre Geschichte. Frankfurt am Main 2022.

    Ulrike Trenkmann Wissenschaftliche Mitarbeiterin | Stefan Höppner Wissenschaftlicher Mitarbeiter | HAAB und Forschungsverbund Marburg Weimar Wolfenbüttel

  • 08. Juni, 2022 — Impressionen vom Bibliotheksfest zu Pfingsten in der HAAB

    Zu einem großen Fest hatte die Klassik Stiftung am Pfingstsamstag in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek eingeladen. Einen Tag lang konnten kleine und große Gäste 3 Ausstellungen und 10 Räume besuchen, den am Vortag eröffneten, neugestalteten Renaissance-Saal mit Cranachs Bilderwelten, die ebenfalls neugestalteten Foyers und Kabinette – alle im Stammhaus der Bibliothek – und das Studienzentrum der HAAB. Neben zahlreichen Bibliotheksführungen, vier Podiumsgesprächen, verschiedenen Mitmachstationen und Lese-Café nahmen sich BesucherInnen und BibliotheksmitarbeiterInnen Zeit für Begegnungen und Gespräche.

    Gleich am Eingang zum Studienzentrum konnten wir die Arbeit der GAAB vorstellen und die neue, druckfrische Ausgabe unserer Vereinszeitschrift »SupraLibros« http://gaab-weimar.de/workspace/supralibros/supralibros_2022-01_web.pdf verteilen. Im Raum vor der Gläsernen Akzession direkt hinter der Ausleihtheke hatten wir unter dem Motto »Upcycling von Bibliotheksmaterial« eine Bastelstation eingerichtet. Heftchen, gedruckte Karten a la Kentmanus, Scherenschnitt- und Quillingkarten, Schächtelchen, Papierperlen-Ketten, alle Dinge, die an den monatlichen Bastelnachmittagen der Weimarer GAAB-Mitglieder entstanden waren, zeigten wir auf der einen Seite der großen Tischfläche. Mit dabei auch die hundert Fröbelsterne, die wir für den dann leider ausgefallenen Weihnachtsmarkt 2021 gefaltet hatten.

    Wir waren froh und stolz, unsere Arbeiten interessierten Gästen des Eröffnungsfestes zeigen und erklären, und gegen eine Spende verschenken zu können. Zudem fungierten wir bei diesem Fest auch als Bastelstation für die Jüngsten. Unermüdlich halfen wir den 3- bis 14-Jährigen beim Basteln von Bücherwürmern und Himmel-Hölle-Faltspielen. Auch das Magnetangeln mit Buchstaben fand Anklang. Mit den erwachsenen Besuchern kamen wir schnell ins Fachsimpeln über besondere Bastelvorhaben und Bibliothekserfahrungen. Die gläserne Spendendose der GAAB füllte sich im Laufe des Tages mit fast 100 Euro.

    Überall war an diesem Tag das großartige Engagement der BibliothekarInnen und StiftungsmitarbeiterInnen zu spüren. Ob an der Ausleihtheke, an den Infoständen im Innenhof, bei den gut besuchten Führungen, bei der Verkleide-Aktion,beim Cranach-Puzzle mit Sitzwürfeln und den anderen schönen Angeboten: Zu erleben waren stolze Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und neugierige und dankbare Bibliotheks-Fans.

    Katharina Hofmann GAAB

  • 25. Mai, 2022 — Eröffnungsfest in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek am 4. Juni 2022

    »Welten übersetzen: 1 Tag, 3 Ausstellungen, 10 Räume« – unter diesem Motto lädt die Klassik Stiftung Weimar alle Neugierigen am 4. Juni von 10 bis 18 Uhr in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ein. Entdecken Sie die Schau »Cranachs Bilderfluten« im neugestalteten historischen Renaissancesaal im Erdgeschoss der Bibliothek – Gemälde, Grafiken, Buchillustrationen und Medaillen aus der Werkstatt Cranachs und seines Sohnes sowie die kostbar illuminierte Weimarer Lutherbibel von 1534.

    Die 2. neue Ausstellung erwartet Sie in der Vulpius-Galerie über dem Rokokosaal.
    Einstündige Touren durch die »Schätze der Weimarer Bibelsammlung« beginnen 11 Uhr, 12 Uhr, 15 Uhr und 16 Uhr.

    Er stand bisher nur selten für Besucher offen: Der Bücherturm mit seiner außergewöhnlich schönen Wendeltreppe und den Schätzen der Garten- und Militärbibliothek von Herzog Carl August.
    Exklusive Touren durch Militärkabinett und Bücherturm gibt es 10-12 & 14-17 Uhr. Von 17-18 Uhr führt der Magazinmeister der Bibliothek persönlich im Bücherturm.

    Selbstständig können Sie die Vorräume und den Rokokosaal den ganzen Tag von 10-18 Uhr mit der App Weimar+ besuchen. Kostenfreie Tickets für den Besuch im Bücherturm sowie für die Tour durch die »Schätze der Weimarer Bibelsammlung« erhalten Sie am Infostand vor dem Historischen Gebäude.

    Im Studienzentrum erwartet Sie die 3. neue Ausstellung: »Übersetzung als Streit – Bücher auf Reisen«. In geführten 30-minütigen Touren geben Ihnen die KuratorInnen höchst persönlich Einblicke in diese Schau. Beginn ist um 10.30 Uhr, 12.30 Uhr, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr. Treffpunkt und kostenfreie Tickets: Infostand vor dem Studienzentrum.

    Im Innenhof des Studienzentrums gibt es Gespräche u.a. zu »Cranachs Bilderfluten«, zur Revolution des Buchdrucks und zu den Umbrüchen in Osteuropa gestern und heute. In der Cafeteria erwartet Sie neben Getränken und Speisen auch ein Lesecafé mit Büchern und Büchertausch.

    Die GAAB ist natürlich ebenfalls präsent. Der Freundes- und Förderkreis Die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e. V. stellt sich am Infostand im Foyer des Studienzentrums vor. Außerdem lädt die GAAB große und kleine Gäste zum Mitmachen ein. Sie können z. B. Buntpapierunikate aus der Ausbildungswerkstatt der HAAB zu unverwechselbaren Pop-Up-Briefkarten falten und bunte Papierstreifen in lustige Bücherwürmer zu verwandeln. Wir freuen uns auf Sie.

    Das gesamte Programm des Eröffnungsfestes finden Sie auf der Website der Klassikstiftung Weimar. https://www.klassik-stiftung.de/aktuelles/ausstellungen/cranachs-bilderfluten/welten-uebersetzen/

    Maria Socolowsky GAAB

  • 05. Mai, 2022 — NEU in der HAAB - Christoph Martin Wielands erste Werkausgabe - Ein ganz besonderer Nachdruck

    Christoph Martin Wielands achtbändige erste Werkausgabe von 1784 bis 1786 ist seit Anfang Mai im Foyer des HAAB-Studienzentrums zu sehen. Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek konnte sie im Februar 2021 antiquarisch erwerben.

    Der junge und bald sehr erfolgreiche Schriftsteller Christoph Martin Wieland hatte der Leipziger Weidmann’schen Buchhandlung seine Werke zur Veröffentlichung anvertraut. Doch es war nicht der Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich, der 1784 bis 1786 die erste Werkausgabe Wielands herausgab, sondern der österreichische Buchhändler Joseph Georg Trassler.

    Trassler hatte den Bedarf einer Gesamtausgabe der Werke Wielands frühzeitig erkannt und – ohne jede Rücksprache – einen Nachdruck der bisher erschienenen Werke veranlasst. Ein einheitliches Verlags- und Urheberrecht gab es damals nicht, das Autor und Verlag vor Nachdruck hätte schützen können. Dabei war es gerade Wieland, der wie kein anderer dem Nachdruckwesen den Kampf angesagt hatte. Die Gründe dafür lagen auf der Hand: Für nachgedruckte Texte erhielt der Autor kein Honorar. Noch dazu griffen Verleger häufig in die Texte ein, die sie unerlaubt nachdruckten.

    Doch der Nachdruck hatte auch seine guten Seiten: Er war preisgünstiger als die Originalausgabe und machte die Bücher so einem breiteren Lesepublikum zugänglich. Der Bekanntheit des Autors stand das sicher nicht im Wege.

    Ein weiterer Tipp:
    Die Ausstellung »Wieland! Weltgeist in Weimar« im Goethe- und Schiller-Archiv. Zu sehen sind Handschriftenoriginale des bedeutenden Dichters, Übersetzers und Herausgebers aus den Beständen des GSA. Herzogin Anna Amalia hatte Christoph Martin Wieland vor 250 Jahren 1772 als Erzieher ihrer beiden Söhne an den Weimarer Hof berufen.

    Claudia Streim Wissenschaftliche Mitarbeiterin der HAAB und Maria Socolowsky GAAB

  • 22. März, 2022 — Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben– Neuerwerbungen populärer Literatur um 1800 - Teil 3: Leihbibliotheken

    Wie aber gelangten die Leserinnen und Leser um 1800 an populäre Literatur? In der Herzoglichen Bibliothek Weimars sind sie in jedem Fall nicht fündig geworden. Wer nun aber weder das Geld besaß, die flüchtige und schnell zu konsumierende Lektüre selbst zu erwerben, noch jemanden im Freundeskreis kannte, der ausgelesene Exemplare weiter reichte, der wandte sich an eine sogenannte Leihbibliothek.

    Leihbibliotheken entstanden im späten 18. Jahrhundert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts breiteten sie sich flächendeckend und in großer Zahl im deutschsprachigen Raum aus, wobei sie durch alle Gesellschaftsschichten hinweg beliebt waren. Oft wurden sie von Buchhändlern geführt. Für diese bedeutete das Verleihen gegen Gebühr oft ein lukrativeres Geschäft als der Verkauf der Bücher. Sie versorgten Lesehungrige mit Literatur und trugen gleichzeitig wesentlich zur Verbreitung populärer Literatur bei.

    In der 2022 von der HAAB erworbenen Sammlung Sangmeister finden sich einige Bände, die nachweislich aus Leihbibliotheken stammen. Das Buch »Juliette von Lüneville. Eine Geschichte aus der Zeit des letzten Friedensschlusses« von Joseph Alois Gleich aus dem Jahr 1802 trägt auf dem vorderen Innendeckel das Exlibris einer zeitgenössischen Leihbibliothek: »Alexander Czéh’s Leihbibliothek in Ungarisch-Altenburg«. Im 1793 anonym erschienenen Briefroman »Die bestrafte Kabale oder Henriettens glückliche Flucht aus ihrer Gefangenschaft. Eine wahre Geschichte dieser Zeit« ist noch ein alter Aufkleber zu erkennen: »Zur Leihbibliothek von Eduard Meyer in Cottbus No 1426«. Im Buch »Julie Lottwer oder Der schöne Harfner in der Räuberhöhle« von 1803 mit dem Exlibris »Buchbinderei und Leihbibliothek von Louis Eichner« in Schorndorf erfährt man etwas über die Bedingungen der Ausleihe. Hier findet sich der handschriftliche Vermerk »Es wird höflichst gebeten ein Buch nicht länger als 8 höchstens 14 Tage zu behalten!!!«

    Dass diese Bücher auf dem antiquarischen Markt eher selten anzutreffen sind, mag auch an ihrem Erhaltungszustand liegen. Er hat die Überlieferung in vielen Fällen sicher erschwert, bisweilen sogar unmöglich gemacht. Entsprechend sind die Bücher aus der Sammlung Sangmeister häufig im Wortsinn schiefgelesen, abgegriffen, bestoßen oder sogar gänzlich ramponiert. Für die Kunden der Leihbibliotheken war der Zustand eines Buches allerdings ein Qualitätsmerkmal: Je zerlesener, desto spannender! Der Autor und Bibliothekar Friedrich Matthison hat diese Beobachtung in seinem zeitgenössischen Epigramm »Die Leihebibliothek« festgehalten: »Staubig, doch sonst ohne Makel, sind Wieland und Göthe zu schauen. Aber an Kramer und Spiess haftet unendlicher Schmutz.«

    Claudia Streim Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Herzogin Anna Amalia Bibliothek