Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 06. Januar, 2023 — Neu in der GAAB - Brigitte Becker-Ebenau, ehemalige Bibliothekarin in der HAAB

    »Kaum jemand hat die Innovations- und Transformationsprozesse in der HAAB und KSW seit der Wende so sehr mitgeprägt wie Frau Becker-Ebenau«, schrieben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, als sie Ende 2022 ihre langjährige Kollegin Brigitte Becker-Ebenau in den Ruhestand verabschiedeten. Brigitte Becker-Ebenau kam im November 1992 von der Universitätsbibliothek Marburg in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek und hat deren Geschicke 30 Jahre mitgestaltet, ab 2001 als Referatsleiterin in der Medienbearbeitung. Seit Juni 2022 ist Brigitte Becker-Ebenau Mitglied in der GAAB. Maria Socolowsky sprach mit ihr.

    MS: Frau Becker-Ebenau, beim Bibliotheksfest Anfang Juni 2022 sind Sie Mitglied der GAAB geworden. Wie kam es dazu?

    BBE: 30 Jahre durfte ich in einer ganz besonderen Bibliothek arbeiten. Das habe ich immer so empfunden. Ich habe entscheidende Entwicklungen miterlebt und mitgestaltet. Der Brand 2004 war dann für uns alle ein einschneidendes, ein traumatisches Erlebnis. Da hat die GAAB großartige Arbeit gemacht und unter anderem die vielen Spenden gemanagt. Bis heute ist die GAAB sehr aktiv und sehr präsent. Das hat dem Haus viel gebracht. Die GAAB tut der Bibliothek gut, sie unterstützt so viele Projekte. Ihre Angebote, zum Beispiel die Veranstaltungen, habe ich auch auch schon vorher verfolgt und genutzt. Ich schätze auch die Publikation »SupraLibros« sehr. Dass ich jetzt in die GAAB eingetreten bin, hat auch ganz egoistische Gründe. Ich möchte auf Distanz gehen zur Bibliothek, ohne den Kontakt zu verlieren. Ich möchte angebunden bleiben, erfahren, was in der HAAB passiert. Die Mitgliedschaft in der GAAB soll mir dabei helfen.

    MS: Sie sind 1958 in Korbach in Nordhessen geboren. Sie sind ein Dorfkind, wie Sie sagen. Nach dem Abitur haben Sie in Frankfurt und Marburg eine interne Ausbildung für den gehobenen Beamtendienst an wissenschaftlichen Bibliotheken absolviert. Das war halb Studium, halb Praxis an der UB Marburg und lief mehr oder weniger parallel. Welche Gründe gab es dafür, dass Sie 1992 als Diplom-Bibliothekarin von der Universitätsbibliothek Marburg nach Weimar gekommen sind?

    BBE: Mein Mann war schon in Jena bei der IG-Metall. Er brachte mir die Stellenausschreibung mit. Das war eine halbe feste Stelle »Einführung der EDV-Katalogisierung«, wie für mich gemacht, denn mein einer Sohn war damals ein gutes Jahr, der andere sieben Jahre alt. Später habe ich die Arbeitszeit immer weiter aufgestockt. Ab 2006 hatte ich eine volle Stelle, aber immer befristet, immer aus Projektmitteln finanziert. Erst ab 2016 war es eine ganze »richtige Stelle«.
    Ich hatte den Ehrgeiz, und ich habe das auch geschafft, dass Kolleginnen, die befristet angefangen haben, bleiben konnten. Wir haben z. B. eine halbe Stelle bei Elternzeit und Projektmittel so miteinander kombiniert, dass es für die Arbeit passte und den Kolleginnen half, dass wir sie behalten und fördern konnten. Die Direktoren, erst Herr Herr Knoche und dann Herr Laube, haben da immer sehr gut mitgemacht. Herr Knoche hat irgendwann in einer Dienstberatung einmal gesagt, ich hätte dafür den Anna-Amalia-Orden am Bande für besonders komplizierte Stellenkonstruktionen verdient. (lacht) Die Kolleginnen haben diesen Orden gebastelt und mir bei der Verabschiedung am 13. Dezember 2022 umgehängt. Der Orden bekommt zu Hause einen besonderen Platz.

    MS: Sie haben viele Entwicklungen der HAAB mitgestaltet. Einstige Zettelkataloge von über 800.000 Titeln finden sich heute im Online-Katalog. Digitale Sammlungen wurden aufgebaut, so dass Nutzerinnen und Nutzer heute in den digitalisierten Beständen »blättern« können. Gab es für Sie eine ganz besondere Herausforderung?

    BBE: Es gab sehr viele im Laufe der Jahre, aber die einschneidendste war die Planung und der Bezug des neuen Studienzentrums und parallel die Bewältigung der Brandfolgen, die uns bis heute beschäftigen.

    MS: Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Bibliothek?

    In meinem Büro mit Blick auf das Schloss und den Park habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Und den Konferenzraum mit dem Blick auf das historische Gebäude der Anna Amalia Bibliothek liebe ich auch.

    MS: Künftig entfällt der tägliche Weg in die Bibliothek. Verraten Sie uns etwas über Ihre Pläne im Ruhestand?

    BBE: Ich möchte viel wandern, vorwiegend in Deutschand. Ein erstes Ziel ist der Nationalpark Kellerwald am Edersee in Nordhessen, aber auch die Gegend hier rund um Jena, wo ich wohne. Außerdem möchte ich lesen, worauf ich Lust habe, und nicht mehr Geschäftsvorgänge, E-Mails und Strategiepapiere. (lacht) Und reisen möchte ich, nach Italien in die Toscana zum Beispiel. Auch die Insel Rügen steht auf meiner Liste.

    MS: Vielen Dank für diese Auskünfte. Alles Gute für den neuen Lebensabschnitt und Willkommen in der GAAB!

    Brigitte Becker-Ebenau und Maria Socolowsky GAAB

  • 19. Dezember, 2022 — Die GAAB auf dem Weimarer Weihnachtsmarkt

    Jedes Jahr in der Weihnachtszeit »gehört« der GAAB einen Tag lang die sogenannte »Vereinshütte« auf dem Weihnachtsmarkt. Hier stellt sich an jedem Tag in der Vorweihnachtszeit ein anderer Weimarer Verein vor. Die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek war am Freitag vor dem ersten Advent dran. Wir brachten einen großen GAAB-Aufsteller und viele kleine Basteleien mit an den Stand. Wir haben Vorübergehende ins Gespräch gezogen, unsere Basteleien angepriesen und weggegeben und Vereinsflyer verteilt. Unsere Produkte aus Papier, die wir bei unseren monatlichen Bastelnachmittagen in der Dorfner-Werkstatt im Museum »Neues Weimar« gestaltet hatten, zogen immer wieder Neugierige an. Die nicht sehr zahlreichen Weihnachtsmarktbesucher, die bei ungemütlichem Wetter Glühwein und Weihnachtsgeschenke suchten, brachten meist genug Zeit mit, um unsere Tannenbaumanhänger, Quilling-Sterne, Scherenschnitte, Untersetzer aus Papier, Origami-Schachteln und Ketten aus Papierperlen zu bestaunen.

    Viele Gespräche, die bei Fröbel-Sternen und Klappkarten begannen, endeten mit der Überlegung, wo man selber zum Zeitpunkt des Bibliothek-Brandes gewesen war, oder bei der Frage: Was finanziert die GAAB? Dazu gehören seit mittlerweile fast 20 Jahren z. B. Buch-Erwerbungen und Veranstaltungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Möglich ist das vor allem durch Spenden.

    Überraschend viele Nicht-Weimarer blieben zu einem längeren Gespräch stehen und profitierten dann auch von unserer Ortskenntnis. Unsere Basteleien gaben wir gegen eine Spende und nicht zu einem festen Preis ab. Wir waren aber auch so frei, kleine Fröbel-Sterne zu verschenken. Das zauberte oft ein Lächeln auf die Gesichter gestresst Vorbeieilender.

    Allen beteiligten GAAB-Mitgliedern – Ilse, Carmen, Regina, Susanne, Sigrun, Sabine und Katharina – hat der Tag trotz Kälte und Regen viel Spaß gemacht. Wir haben viele Anregungen weitergegeben und auch erhalten. Und Spenden haben wir natürlich auch eingenommen, insgesamt 354,16 Euro. Dafür herzlichen Dank.

    Katharina Hofmann GAAB

  • 22. November, 2022 — Bamberger Schätze und E.T.A. Hoffmann - Tagesausflug der GAAB 2022

    Großer Bahnhof für unsere kleine GAAB-Gruppe in der Barock-Stadt Bamberg! Vor dem Dom säumten Vertreter des deutschen Adels und ihre Karossen den Weg zu unserem ersten Ziel. Im Dom sollte die Hochzeit eines Stauffenberg-Sprosses stattfinden. Wir aber gingen gegenüber in die Staatsbibliothek in der Dietzenhofers Neuen Residenz, die dieser Ende des 17. Jahrhunderts für die Bamberger Fürstbischöfe gebaut hatte. Die Leiterin der Staatsbibliothek Prof. Dr. Bettina Wagner und ihr Stellvertreter Dr. Stefan Knoch begrüßten uns und gewährten zunächst einen Blick hinter die Kulissen – Büroarbeitsplätze zwischen Regalen, die Poststelle und die aktuell zu bearbeitenden Belegexemplare der lokalen Verlage, da die Bamberger Staatsbibliothek zugleich Pflichtabgabebibliothek der lokalen Verlage ist. Besonders begeistert haben uns dann natürlich die großartigen Altbestände, die in ihrer Anzahl und Dichte, ihrem Wert und ihrer Schönheit schon Generationen von Forschern beschäftigen. Sehr mit der Sammlung vertraut führten uns Bettina Wagner und Stefan Knoch durch vier prächtige historische Bibliotheksräume (Fotos 2 bis 5). Schnell kam das Gespräch auf besondere Einbände. Besucht haben wir auch die zwei Austellungsräume zu Leben und Werk E.T.A. Hoffmanns. Er hatte in Bamberg als Kapellmeister gewirkt. Wir konnten unter anderem zahlreiche Zeichnungen des vielbegabten Hoffmann anschauen und erkennen, dass seine Bamberger fünf Jahre zwar sehr produktiv, aber doch auch recht unglücklich waren.
    Nach der Mittagspause im fränkischen Gasthaus »Alt Ringlein« standen eine Domführung und ein Gang durch die Innenstadt auf unserem Programm. Selbst wer Dom mit Kaisergrab, Papstgrab und Bamberger Reiter gut kannte, konnte von Matthias Scherbaum noch Neues erfahren (Foto 7). Der promovierte Philosoph und Theologe und Dozent an der Universität erzählte temperamentvoll und kenntnisreich von schnöder Machtpolitik, wissenschaftlichen Ungereimtheiten und architektonischen Besonderheiten, zum Beispiel, dass der berühmte Bamberger Reiter (Foto 8) aus mehreren Teilen zusammen gesetzt wurde. Beim Rundgang durch die Altstadt zeigte uns Matthias Scherbaum die einstigen Wohnorte von E.T.A. Hoffmann und das Haus des Verlegers Carl Friedrich Kunz in der Eisgrube Nr. 14 (Foto 9). Hoffmann war mit Kunz befreundet und besuchte ihn oft. Berühmt ist das Haus In der Eisgrube bis heute durch seinen Türknopf, das sogenannte Apfelweib (Foto 10). Diese Frau hatte schon Hoffmann gesehen. In seiner Erzählung »Der goldene Topf« spielt sie eine geheimnisvolle Rolle. »Unbedingt lesen«, empfahl Matthias Scherbaum.
    Der Weg durch die Stadt war ein schöner Abschluss dieses spannenden Tagesausflugs, der von unseren GAAB-Mitgliedern aus Pyrbaum Uwe und Ilona Jentzsch geplant und bereits im Vorfeld im Einzelnen getestet worden war. Beiden dafür ein ganz herzliches Dankeschön!!.
    Vielen Dank auch unseren Begleitern Bettina Wagner, Stefan Knoch und Matthias Scherbaum. Wir kommen gern wieder nach Bamberg.

    Katharina Hofmann Annette Seemann und Maria Socolowsky GAAB

  • 30. Oktober, 2022 — Einblattdrucke in der HAAB und ihre Geschichte – Folge 3: Claras große Reise

    • Einblattdruck – Claras große Reise

    In der dritten Folge geht es wieder um ein Tier, das im 18. Jahrhundert zu einer Berühmtheit wurde. Allerdings verbreitete es nicht Angst und Schrecken wie die Bestie des Gevaudan aus der letzten Folge, sondern sorgte für Erstaunen und Begeisterung unter den Menschen. Es war exotisch, es war riesig und es begab sich auf eine spektakuläre »Event-Tour« durch ganz Europa. Dies sind die Abenteuer des Rhinozeros Clara, das mit seinem Besitzer 17 Jahre lang unterwegs war, um viele tausend Kilometer von der Heimat entfernt, in Städten aufzutreten, in denen nie zuvor ein lebendes Nashorn gesehen wurde.

    Das Reichsmuseum Amsterdam widmet Clara vom 30. September 2022 bis zum 15. Januar. 2023 eine Sonderausstellung unter dem Titel »Clara und die Krabbeltiere – Vom Horror zum Wunder«. Zu sehen ist u. a. ein großes Gemälde aus dem Staatlichen Museum Schwerin, für dessen Transport sogar Wände des Schweriner Museums geöffnet werden mussten.

    Claras Leben begann dramatisch, denn Jäger hatten ihre Mutter erschossen, als sie gerade einmal einen Monat alt war. In freier Wildbahn hätte das bereits ihren sicheren Tod bedeutet, doch Clara wurde im Haushalt des Generalkonsuls der Niederländischen Ostindien-Kompanie in Bengalen aufgenommen, dort aufgezogen und an den Umgang mit Menschen gewöhnt. 1740 war das Tier zu groß geworden und deshalb an den niederländischen Kapitän Douwe Jansz Mout verkauft. Ihm gelang es, das Rhinozeros sicher auf dem Seeweg in seine Heimatstadt Leiden zu transportieren, wo er das Seefahrerdasein sofort aufgab, um seinen Lebensunterhalt zukünftig mit der zur Schaustellung Claras zu verdienen. Doch ein derart spektakuläres und beispielloses Unternehmen bedurfte einiger Vorbereitungen, die der ehemalige Kapitän mit großem Sachverstand und Geschäftssinn meisterte.

    Zunächst einmal musste er für eine ausreichende Ernährung von Clara sorgen, was bei bisherigen Versuchen, Nashörner in Europa zu halten, unterschätzt wurde und in der Folge zum baldigen Tod der Tiere führte. Claras Nahrung bestand im Wesentlichen aus großen Mengen Stroh und Brot. Je nach Möglichkeit erhielt sie darüber hinaus einige der von ihr sehr geliebten Orangen. Zu trinken bekam sie – wie die Menschen seinerzeit auch – hauptsächlich Bier. Das hatte damals einen deutlich niedrigeren Alkoholgehalt als heute und wurde wegen seiner keimtötenden Eigenschaften und seiner längeren Haltbarkeit dem Wasser oft vorgezogen. Neben dem Bier war der Genuss von Tabak weit verbreitet, dessen Geruch Clara ebenfalls zu schätzen wusste.

    Bei der Planung der Reiseroute und beim Bau eines Transportwagens für das schwere Tier kamen Douwe Jansz Mout seine Erfahrungen als Seefahrer zugute. Der Transportwagen ist auf einem Gemälde von Claras Besuch in Venedig zu sehen und kann als Beleg für dessen einmalige und zweckmäßige Konstruktionsweise dienen. Ein Nashorn wird in Gefangenschaft maximal 40 Jahre alt, weshalb das Alter von immerhin 20 Jahren, das Clara trotz ihrer langen und wenig artgerechten Reise erreichte, durchaus der für damalige Verhältnisse guten Pflege durch seinen Besitzer zugeschrieben werden kann.

    Doch so zweckmäßig der Transportwagen auch konstruiert war, konnte er doch nicht alle Erschütterungen abfangen, die von den holprigen Straßen und Wegen im 18. Jahrhundert verursacht wurden. Daher plante der ehemalige Kapitän die Reiseroute, die ihn und Clara 1746/47 zunächst von Leiden nach Hannover und danach über mehrere Stationen nach Breslau und Wien führte, unter maximaler Ausnutzung der See- und Binnenschifffahrtswege. Die immensen Kosten des Unternehmens sollten von den Einnahmen möglichst mehr als gedeckt werden. Deshalb startete Douwe Jansz Mout die größte und erfolgreichste Werbekampagne seiner Zeit. Die gelang ihm vor allem mit Hilfe von Einblattdrucken, auf denen seine Attraktion Clara dargestellt und beschrieben war. Sie wurden in seinem Auftrag an verschiedenen Orten hergestellt und teils von ihm selbst
    zum Kauf angeboten
    .

    Diese Einblattdrucke, von denen sich bis heute mehr als zwanzig verschiedene Beispiele erhalten haben, erfüllten einerseits den Zweck eines Werbeflyer, andererseits waren einige von ihnen auch als Souvenir im Rahmen der Veranstaltung erhältlich. Allen Blättern ist gemeinsam, dass Clara entsprechend ihrer Größe breiten Raum in der bildlichen Darstellung einnimmt. Der Text enthält immer Angaben zu Herkunft, Nahrung, angeblichen Verhaltensweisen in freier Wildbahn und natürlich zum Aussehen des Nashorns. Darunter waren auch Fehleinschätzungen, wie die seit der Antike tradierte Mär, dass Nashörner Elefanten mit ihrem Horn töten und die Annahme, dass sie 100 Jahre alt werden können. Individuelle Textzusätze auf vielen der erhaltenen Drucke kündigen die jeweils geplante Aufenthaltsdauer in verschiedenen Städten sowie die Höhe des Eintrittsgelds an. Der in der HAAB erhaltene Einblattdruck zeigt im linken Teil der bildlichen Darstellung ein Segelschiff und davor einen Matrosen, der Clara einen Schluck aus seinem Glas anbietet. Der Text enthält keine »Tourdaten«, weshalb es sich möglicherweise um einen der Drucke handeln könnte, die als Souvenir direkt beim Veranstalter erworben werden konnten.

    Claras Tour sorgte in ganz Europa für immenses Aufsehen, weshalb Adlige, Fürsten und Könige es sich nicht nehmen ließen, das Nashorn höchstselbst in Augenschein zu nehmen. In Berlin war Friedrich der Große derart beeindruckt, dass er Douwe Jansz Mout insgesamt 18 Golddukaten zukommen ließ. In Wien erwies ihm Maria Theresia die Ehre und war so begeistert, dass sie seinem niederländischen Besitzer einen Adelstitel verlieh. Von nun an war »Herr van de Meer« mit Clara unterwegs, was sich natürlich positiv auf den weiteren Verlauf seines Unternehmens auswirkte. Von Wien ging die Reise weiter durch Süd- und Mitteldeutschland – unter anderem mit Stationen in Regensburg, Dresden und Leipzig. In Meißen entstand zu diesem Anlass eine Porzellanfigur, deren Vorbild nun nicht mehr das von Albrecht Dürer einst gezeichnete Nashorn mit dem zweiten Horn auf dem Rücken war, sondern Clara. Noch heute bietet die Nymphenburger Porzellanmanufaktur eine entsprechende Figur mit ihrem Namen an.

    Weitere Höhepunkte der Reise waren 1749/50 Versailles und Paris, wo der französische König Ludwig XV. das Nashorn gerne für seinen privaten Zoo erworben hätte. Doch der Preis, den van de Meer nannte, entsprach in etwa dem dreifachen Jahreseinkommen des Königs, weshalb er von diesem Einkauf absehen musste. Van de Meer gönnte seiner Clara während der Europatournee immer wieder längere Erholungsphasen, die beide dann zurück nach Leiden führten, wo van de Meer mittlerweile geheiratet und eine Familie gegründet hatte.

    1757/58 brachen er und sein Rhinozeros schließlich zu ihrer letzten Reise nach London auf, wo Clara kurz darauf im Alter von etwa 20 Jahren plötzlich und aus unbekannten Gründen verstarb. Bis dahin hatte sie eine unglaubliche Berühmtheit in ganz Europa erlangt. Sie wurde auf Kupferstichen in Büchern und auf Gemälden verewigt und war Motiv verschiedener kunsthandwerklicher Produkte wie Porzellanfiguren und Uhren. In Erwartung ihres Besuchs kreierten Coiffeure in Florenz sogar eine Frisur »a la rhinocéros«. Noch lange nach ihrem Tod fand sie Erwähnung in Briefen, Gedichten und anderen Erinnerungen. Bis heute wirkt Claras Leben in Gestalt von Büchern und Ausstellungen nach. Jüngstes Beispiel ist das Erscheinen eines Spiels für Kinder, das nach ihr benannt ist. Die Spur von Claras Besitzer dagegen verliert sich nach ihrem Tod. Sehr wahrscheinlich kehrte er zurück nach Leiden und verbrachte dort den Rest seines Lebens im Kreise seiner Familie – und das vermutlich, dank Clara, finanziell gut abgesichert.

    Signatur des Einblattdrucks: 19 B 10697

    Matthias Hageböck Mitarbeiter der HAAB Bestandserhaltung/Restaurierung

  • 23. Oktober, 2022 — Einblattdrucke in der HAAB und ihre Geschichte – Folge 2: Die Bestie des Gévaudan

    Die zweite Folge über Einblattdrucke der HAAB handelt von schaurigen Ereignissen, die sich zwischen 1764 und 1767 in der historischen Provinz Gévaudan in Südfrankreich zugetragen haben. Zahlreiche Einblattdrucke aus dieser Zeit beschreiben und illustrieren die Überfälle eines bis heute nicht eindeutig identifizierten Raubtiers, dem je nach Quelle zwischen 128 und 179 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Mindestens 80 von ihnen starben, während die übrigen durch die Attacken der Bestie zum Teil schwer verletzt wurden. Drei Viertel der Opfer waren nicht älter als 16 Jahre und bei den älteren handelte es sich durchweg um Frauen. Die Ereignisse sind noch heute Gegenstand von Büchern, Zeitschriftenartikeln, Kinofilmen und Fernsehdokumentationen. Was war geschehen?

    Im Frühjahr 1764 wurde zunächst eine Kuhhirtin in der Nähe Dorfes Langogne angegriffen. Sie konnte sich noch verletzt retten, aber im Juni desselben Jahres erlag eine 14-jährige den schweren Verletzungen, die ihr die Bestie beigebracht hatte. Das Mädchen gilt als ihr erstes behördlich registriertes Opfer. In den folgenden Wochen und Monaten kam es zu vielen weiteren Angriffen mit Dutzenden Verletzten und Toten, woraufhin Hirtenkinder nur noch in Gruppen losziehen durften.

    Doch davon ließ sich das Raubtier nicht abschrecken und allmählich machte sich in der Bevölkerung der Gegend Panik breit. Weder einheimischen Jägern noch einer ganzen Dragonereinheit, die im November 1764 ausgesandt wurden, gelang es, das Untier zu erlegen. Spätestens nachdem eine Treibjagd mit 20.000 beteiligten Jägern, Soldaten und Treibern Mitte des Jahres 1765 erfolglos verlief, wuchs sich die Angelegenheit zu einem ernsthaften Prestigeproblem für den französischen König Ludwig XV. aus.

    Mittlerweile wurde in ganz Europa von den Geschehnissen im entlegenen Gévaudan berichtet. Dabei musste der König einigen Spott ertragen, da es ihm offensichtlich nicht gelang, ein Tier zur Strecke zu bringen, das seine Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Die auf die Ergreifung der Bestie ausgesetzte Belohnung summierte sich mittlerweile auf 9000 Livres. Zum Vergleich: Ein Taglöhner verdiente zu jener Zeit etwa eine Livre am Tag!

    Um der Sache ein Ende zu bereiten, schickte der König im Sommer 1765 den zweiten königlichen Jäger Francois Antoine zusammen mit 14 Schützen und fünf Jagdhunden in das Gebiet. Antoine gelang es im September 1765 tatsächlich, einen besonders großen Wolf zur Strecke zu bringen und wenig später die Belohnung einzustreichen. Offiziell für tot erklärt, setzte die Bestie jedoch bald ihre Angriffe fort und erst im Juni 1767 erschoss der einheimische Jäger Jean Chastel ein männliches Raubtier, nach dessen Erlegung endlich wieder Ruhe im Gévaudan einkehrte.

    Die HAAB besitzt zwei Einblattdrucke, die von den Ereignissen berichten und vermutlich noch vor der großen erfolglosen Treibjagd im Jahr 1765 entstanden sind. Auf beiden Blättern wird als Zeitpunkt des Beginns der Geschehnisse nicht Juni, sondern September 1764 angegeben. Das erste Blatt wurde in Augsburg nach einer französischen Vorlage gedruckt. Es zeigt im Bildteil ein langhaariges Phantasiewesen sowie drastische Darstellungen von den Angriffen des Tiers. Der beigegebene Text enthält nur wenige darüberhinausgehende Informationen, erwähnt wird aber noch eine Belohnung von 2700 Livres auf die Ergreifung der Bestie. Da diese Summe bis Mitte 1765 schrittweise auf 9000 Livres anwuchs, ist der Einblattdruck vermutlich schon gegen Ende des Jahres 1764 entstanden.

    Das zweite Blatt ist offenbar ein paar Monate später gedruckt worden. Am Ende des ausführlichen Textes ist zu lesen, dass der berühmte Wolfsjäger Jean-Charles Vaumesle d‹ Enneval mit seinen sechs Jagdhunden eigens aus der Normandie angereist sei und die Bestie bereits mehrmals aus der Ferne gesichtet hätte. Das gäbe Anlass zur Hoffnung, dass er sie bald mit Unterstützung von zahlreichen einheimischen und angereisten Helfern erlegen könnte. Da d ́ Enneval das Gebiet im Februar 1765 erreichte, wo er bis zum Sommer desselben Jahres mehrere Treibjagden organisierte, fällt die Entstehungszeit des Einblattdrucks vermutlich etwa in diesen Zeitraum, zumal die Höhe der Belohnung hier noch mit 6000 Livres angegeben wird.

    Der übrige Text und die bildliche Darstellung befassen sich vor allem mit der Heldentat des zwölfjährigen Jaques André Portefaix. Er hütete am 12. Januar 1765 zusammen mit vier weiteren Jungen und zwei Mägden Vieh, als die Gruppe von der Bestie angegriffen wurde. Die Kinder rückten eng zusammen und versuchten mit Stöcken, an deren Ende Metallklingen befestigt waren, auf das Tier einzustechen. Die Bestie zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt, umrundete die Gruppe mehrmals und stürzte sich schließlich auf den jüngsten. Der achtjährige Jean Veyrier wurde am Arm gepackt und in ein etwa 50 Meter entferntes Sumpfgebiet verschleppt.

    Während eines der zurückgebliebenen Kinder schon die Flucht ergreifen wollte, rief der zwölfjährige Portefaix ihnen zu, entweder den Kameraden zu befreien oder mit ihm umzukommen. Daraufhin nahmen die Kinder all ihren Mut zusammen. Sie folgten der Bestie in den Sumpf, wo sich das Tier nur schlecht bewegen und von ihnen gestellt werden konnte. Sie attackierten das Tier solange mit ihren Stöcken, bis es schließlich von dem nur leicht verletzten Jean abließ und flüchtete.

    Nachdem die Nachricht von der Rettung des Jungen den König erreicht hatte, erhielten die fünf tapferen Kinder großzügige Schenkungen. Außerdem wurde ihnen in Aussicht gestellt, in den Militärstand erhoben zu werden. Das von den Kindern in die Flucht geschlagene Raubtier wird im Titel beider Blätter als Hyäne oder Vielfraß bezeichnet. Solche oder andere nicht in Frankreich beheimatete Raubtiere könnten durchaus aus einem der damals beliebten privaten Zoos oder aus Schaustellerbetrieben entkommen sein.

    Allerdings wird in Fachkreisen derzeit die Annahme favorisiert, dass es sich um mehrere Wölfe oder Mischlinge aus Wölfen und Hunden gehandelt haben könnte. Eine andere Hypothese spricht sich für einen jungen männlichen Löwen aus. In Fernsehdokumentationen und Kinofilmen, die sich jedoch weit von den historischen Tatsachen entfernt haben, ist dagegen von einem Werwolf beziehungsweise von einem Serienmörder die Rede. Letztendlich wird die wahre Identität der Bestie wohl für immer ein ungelöstes Rätsel bleiben.

    Signaturen der Drucke: 19 B 10758 und 19 B 10767

    Literatur: Taake, Karl –Hans: Die Bestie des Gévaudan: Der verheerende Feldzug einer verschleppten Kreatur. Kindle Ausgabe, 2015.

    Matthias Hageböck Mitarbeiter der HAAB Bestandserhaltung/Restaurierung