Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 07. Oktober, 2018 — Die GAAB gratuliert Walther Grunwald zum 80. Geburtstag

    • Walther Grunwald | Foto ©Luise Müller-Hofstede

    Das Interview mit Walther Grunwald (WG) anlässlich seines 80. Geburtstags am 7. Oktober 2018 führte Annette Seemann (AS). Das Portrait fotografierte Luise Müller-Hofstede.

    AS Sie sind Architekt geworden, ich vermute: aus Leidenschaft?

    WG Ja, aus einer nie enttäuschten Leidenschaft, und sie geht auf meine Zeit als Schüler in Berlin Zehlendorf zurück, wo ich das Ausstellungsgebäude für moderne Kunst, das Haus am Wald, gesehen und fast jede Ausstellung dort besucht habe. In dem dazugehörigen Park war ein Freilufttheater. Dort habe ich Wilhelm Tell gesehen. Den Baum, in dem er saß, um seinen Pfeil abzuschießen, gibt es noch heute. Dass ich das in den letzten Kriegstagen teilweise zerstörte Haus am Waldsee eines Tages wieder aufbauen und restaurieren würde, habe ich nicht geahnt. Das kam gut 50 Jahre später.

    AS Was hat Sie beeindruckt und geprägt in diesem Sinne?

    WG Meine Liebe zur Architektur. Meine Kunstlehrerin Frau Thon glaubte an mich und hat mich gefördert. In der 12. Klasse sagte sie zu mir: »Sie müssen Kunst studieren.« Nun, Deutschland war zerstört, da ging es doch um Wiederaufbau. Und dann kam hinzu: Mein Vater war Banker. Für ihn war die Kunst zweitrangig, der gutbürgerliche Beruf stand im Vordergrund, ich habe mich also pro forma als Wirtschaftsingenieur immatrikuliert. Aber eigentlich studierte ich Architektur und wollte wiederaufbauen.

    AS Sie waren in Amerika, wann war das, wie lange und was haben Sie dort erlebt?

    WG 1964 direkt nach dem Diplom an der TU Berlin ging ich nach Amerika, genauer nach New York, Manhattan. Die berufliche Kariere war in Deutschland klar vorgezeichnet. Das war mir zu langweilig. In Amerika wollte ich ein Jahr Stahlbau studieren, schon wegen der Wolkenkratzer. Ich habe keinen Tag in New York studiert. In den ersten 11 Wochen arbeitete ich bei acht Architekturfirmen. In der achten Stellung blieb ich dann eineinhalb Jahre. Das war das Büro die Firma von Frederick Kiesler und Armond Bartos. Ich war dort der einzige Deutsche weit und breit. Ich fühlte mich aber nur als Berliner und Europäer Das wurde akzeptiert. 1967 habe ich in New York geheiratet. Dann war ich noch fast drei Jahre bei Philip Johnson Entwurfsarchitekt. Die sechs Jahre in New York waren sehr prägend. Danach arbeitete ich zwei Jahre in Pakistan, in Karachi, an einem UNDP- Entwicklungsprojekt. Es ging um Stadtplanung und Wohnungsbau.

    AS Zurück in Deutschland, erneut Berlin, was fanden Sie vor?

    WG Ich kam 1972 nach West-Berlin, das am Subventionstropf hing, zurück … Baupolitisch war alles sehr schwierig damals. In Zehlendorf sollte der Ortskern für eine Durchgangsstraße untertunnelt werden. Ein miserabel geplantes Projekt. Ich habe einen Gegenplan entwickelt und eine Bürgerinitiative gegründet. Das war 1974. Ich habe mit allen Beteiligten, den Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung von Zehlendorf und beim Senat von Berlin gesprochen. Dann haben wir eine öffentliche Veranstaltung mit Presse gemacht, die war sehr erfolgreich. Die Parteien wollten aber von ihrem Tunnelprojekt nicht lassen. Wir gründeten eine Wählergemeinschaft Unabhängiger Bürger gegen das Tunnelprojekt. Das war der Beginn meiner sieben Jahre andauernden politischen Karriere. Die Wählergemeinschaft vereinigte bei der Kommunalwahl aus dem Stand 21,3 % aller Stimmen auf sich.

    AS Damals haben Sie sich wahrscheinlich nicht um die Sanierung historischer Gebäude kümmern können, aber wann ging das denn los?

    WG Mein erstes Objekt wurde ein Renaissanceschloss in Oberfranken, das saniert werden sollte.

    AS Woher haben Sie denn gewusst, wie so etwas geht?

    WG Learning bei doing, vor allem, ohne das Objekt zu zerstören. Es folgten viele Sanierungen, drei Schlösser, mehrere Wohngebäude, eine Töpferei. Ich habe nach New York nie wieder einen Neubau entworfen. Gleichwohl wollte ich eine neue Architektursprache in die alten Gebäude einführen.

    AS Kommen wir zu unserem Fall, der Sanierung der HAAB. Sie waren bereits vor dem Brand berufen worden, das historische Gebäude zu sanieren. Welchen Stellenwert hat dieser Bauauftrag innerhalb Ihres Lebenswerks?

    WG Ja, mein Büro mit Olaf Burmeister war im April 2004 für die Sanierung berufen worden. Schon das Berufungsverfahren, europaweit war ausgeschrieben worden, war das dramatischste, was ich je durchlief. Der Bauauftrag verlangte mir alles ab, was ich jemals gelernt hatte. All das ist in dieses Projekt geflossen. Es waren drei Ministerien involviert, die Klassik Stiftung und die gesamte beäugende Öffentlichkeit.

    AS Wir wissen, dass ein ungeheurer Zeitdruck auf Ihnen lag, mit dem Datum 24. Oktober 2007 Wiedereröffnung. Dieser vor dem Brand geplante Termin sollte unbedingt gehalten werden. Wie konnte die Rekonstruktion überhaupt gelingen?

    WG Es lag im Wesentlichen an der unglaublichen Einsatzbereitschaft meiner Mitarbeiter, an der herausragenden Zusammenarbeit mit allen Fachplanern und der Qualität der beteiligten Firmen. Wir bildeten zusammen ein einmaliges Team. Es gab keinerlei Intrigen wie sonst üblich. Wirklich, diese Aufgabe ist der Kulminationspunkt meines Architekturlebens gewesen.

    Annette Seemann | Foto ©Luise Müller-Hofstede

  • 17. September, 2018 — Du hast den Farbfilm vergessen

    • Filmrolle © Philipp Wiegandt

    Das Erinnern ist ein zentraler Begriff für jeden Historiker, wir diskutieren Erinnerungsorte, eine Erinnerungskultur, schafft Erinnern Heimat? In Bibliotheken stehen Millionen Bücher, die die neugierige Leserin, den neugierigen Leser an andere Bücher erinnern, die Erinnerungen evozieren oder auch Erinnerungen und damit Vergangenheit festhalten können. Gerade Bibliotheken mit historischer Ausrichtung bieten diverse Techniken gegen das Vergessen auf. Sammeln, katalogisieren, auffindbar machen, ausleihen.

    Wenn ich nicht ganz konzentriert bin, summen gern mal Melodien in meinem Kopf. Mein Soundtrack zum Thema Erinnern ist: »Du hast den Farbfilm vergessen!« Diese furchtbare Vorstellung, man fährt in den Urlaub und das Erinnerungs-Instrument dokumentiert nur unzureichend.

    In diesem Jahr habe ich die Musikmesse in Frankfurt genießen können. Musik ist ja eigentlich das Analogste, was man sich denken kann: In Frankfurt wurden Ukulelen und Digeridoos, Oboen und Riesen-Saxophone gezeigt, man bekam Schlüsselanhänger mit einer kleinen Akkordeon-Metallzunge geschenkt. Aber Stop! Da wurden doch auch Noten auf kleinen Bildschirmen angeboten, E-Scores. Analog zu den E-Books, die das Tolino bereithält. Also auch in der Musik schwirrt es schon von Instrumenten-Apps, elektronischen Lernsystemen und eben diesen E-Scores.

    Nina Hagens Lied müsste heute einen neuen Text erhalten: Du hast Dein iPad vergessen! Oder schlimmer: Du hast Dein Smartphone vergessen! Die ganze Gegenwart, private Erinnerungen und die Zukunftsplanung stecken für viele heute in einer kleinen, flachen Kiste.

    Und keiner scheint an die armen Historiker zu denken, die in 100 Jahren unsere schönen digitalen Dokumente vielleicht nicht mehr entziffern können, oder nur schwarz-weiß? Wer führt heute noch ein Gäste- oder Tagebuch, ein Stammbuch, eine Patientenkartei oder gar ein bibliothekarisches Ausleihjournal in Papierform?

    Aber wer, wenn nicht die Bibliotheken sollten an ihre zukünftige Leserschaft denken? Und tatsächlich: Weltweit bemühen sich die Nationalbibliotheken, das Internet zu dokumentieren, Digitalisate dauerhaft zu speichern, Rechenzentren füllen ihre Festplatten mit digitalem Erinnern und vielleicht sogar mit diesen schicken E-Scores, Archive entwickeln Strategien für eine sinnvolle Auswahl digitaler Quellen für die dauerhafte Speicherung, eventuell auch auf einem ganz analogen Farbfilm.

    Katharina Hofmann

  • 30. Mai, 2018 — »Zu dem hohen Vermählungsfeste« – eine neu erworbene Huldigungschrift im Bestand der HAAB

    Die Sonne steigt; auf ihren goldnen Schwingen
    Erscheint der junge Tag im Strahlenglanz,
    Sein blüh’ndes Haupt umschlingt der Freude Kranz,
    Der Jubel tönt, des Festes Hymnen klingen!

    Mit diesen Versen beginnt eine gemeinsame Huldigungsschrift von sechs Gemeinden des Amtes Hardisleben, die Carl Friedrich und Maria Pawlowna anlässlich ihrer Hochzeit gewidmet ist und kürzlich von der Herzogin Anna Amalia Bibliothek auf einer Auktion erworben werden konnte. Die Druckschrift umfasst vier Blatt Papier in einem Seideneinband. Nach dem Titelblatt folgt ein fünfseitiges Gedicht, den Abschluss bildet eine Liste der sechs unterzeichnenden Gemeinden: Hardisleben, Mannstedt, Teutleben, Gros-Brembach, Olbersleben und Niederreisen.

    Die Herrlichen, die freudig sich erwählt,
    Sie werden heut im Jugendglanz vermählt.
    P A W L O W N A reicht voll Huld die Fürstenhand,
    Und F R I E D R I C H fühlt das seelenvolle Leben,
    das Ihm die Gunst der Einzigen gegeben;
    Und ewig ist das göttergleiche Band!

    (Auszug aus dem Huldigungsgedicht, Verse 15–20)

    Am 3. August 1804 hatten die russische Großfürstin und Zarenschwester und der Erbprinz von Sachsen-Weimar in St. Petersburg geheiratet. Nachdem am 1. Oktober bereits ihr Brautschatz Weimar erreicht hatte – etwa 80 beladene Pferdewagen –, traf das junge Ehepaar am Freitag, dem 9. November des Jahres in der Residenzstadt ein.

    Anlässlich der Hochzeit und des Einzugs Maria Pawlownas in Weimar wurden eine ganze Reihe Huldigungsschriften verfasst, die dem Paar oder einem Teil gewidmet waren und von denen die Herzogin Anna Amalia Bibliothek einige besitzt. Bekannte Beispiele sind ein am 12. November im Hoftheater aufgeführtes Werk des nur wenige Monate später verstorbenen Friedrich Schiller – »Die Huldigung der Künste« – und die »Harmonie-Music« des Hofkapellmeisters Franz Seraph Destouches (1772–1844).

    Obgleich die Huldigungsschrift dem frisch verheirateten Paar gewidmet ist, preist sie doch auch die aktuellen Herrscher – Zar Alexander I. und Herzog Carl August –, deren Häuser sich durch die Hochzeit ihrer Kinder nun ebenfalls miteinander verbanden:

    So hat sich nun der Grosse Fürst des Norden
    Mit dem B e s c h ü t z e r alles Edlen, Schönen
    Auf ew’ge Zeit im seltnen Bund vereint.
    […]
    Nun darf mit frohem Muth der Freye wagen,
    Zum mächt’gen Thron den sel’gen Dank zu tragen,
    Der feurig glüht in jeder treuen Brust,
    Wo ALEXANDER herrscht und CARL AUGUST.

    (Auszug aus dem Huldigungsgedicht, Verse 21–23, 27–30, vgl. auch Abbildung 3)

    Ihre eigene Herrschaft als großherzogliches Paar von Sachsen-Weimar-Eisenach traten Maria Pawlowna und Carl Friedrich erst am 12. August 1828 an, nachdem Carl August im Juni des Jahres verstorben war.

    Die neu erworbene Huldigungsschrift der HAAB ist bis zum 1. Juli 2018 im Schlossmuseum zu sehen. Ausgestellt wird sie im Verbund mit einer Neuerwerbung der Museen der Klassik Stiftung Weimar – einer Sauciere aus dem oben erwähnten Brautschatz Maria Pawlownas (siehe Abbildung 4).

    Björn Gebert

  • 08. Mai, 2018 — 15 Jahre GAAB – Annette Seemann erinnert sich

    • Annette Seemann vor dem Studienzentrum

    Annette Seemann ist die Vorsitzende der Gesellschaft der Anna Amalia Bibliothek seit Gründung des Vereins. Anlässlich des 15. Geburtstags der GAAB am 12. Mai 2018 sprach Maria Socolowsky mit ihr.

    MS Welche Gründe gab es für Sie, sich in der Gesellschaft der Anna Amalia Bibliothek (GAAB) zu engagieren und sogar den Vorsitz zu übernehmen?

    AS Bibliotheksdirektor Michael Knoche hat damals verschiedene Personen angesprochen, die eng mit der Bibliothek verbunden waren – Eberhard Neumeyer, Jörg Teschner, Joachim Rieck und auch mich. Es sollte ein Freundeskreis der HAAB gegründet werden, der die Arbeit der Bibliothek unterstützt. Ich habe schon damals fast täglich in der HAAB gearbeitet.
    Dass ich dann sogar den Vorsitz übernommen habe, war ein ziemlicher Zufall, zumal ich bis dahin außer in einem Segelclub noch nie Mitglied in irgendeinem Verein war.
    Diesen Verein zu unterstützen entsprach aber meiner vollkommenen Überzeugung, dass man für diese Bibliothek etwas tun muss. Es ging schon damals um Hilfe für Buchrestaurierungen und die Finanzierung von Ausstellungen. Für letztere gab es in der HAAB gar keinen Etat, für viele andere Dinge ebenfalls nicht.

    MS Wie hat die GAAB der Herzogin Anna Amalia Bibliothek unmittelbar nach dem Brand 2004 geholfen? Welche Aktionen hat sie gestartet?

    AS Wir haben innerhalb kürzester Zeit ein Spendenmanagement auf die Beine gestellt und zahlreiche Benefizaktionen durchgeführt bzw. unterstützt.
    Unser Finanzvorstand Joachim Rieck hat für die vielen Spenden, die auf dem Vereinskonto eingingen, Spendenquittungen geschrieben, Jörg Teschner hat Dankesschreiben aufgesetzt. Ich erinnere mich, dass ich als Vorsitzende in manchen Nächten 150 bis 280 Dankesbriefe unterschrieben habe. Ich habe viele Interviews gegeben. Ich war viel unterwegs. Ich bin zu Benefizaktionen gefahren, habe Spenden entgegengenommen und für die große Hilfe gedankt. Es war ein Ausnahmezustand.

    MS Was war für Sie der größte Erfolg der GAAB in den vergangenen 15 Jahren?

    AS Der größte Erfolg war natürlich die Wiedereröffnung des Stammhauses der Bibliothek mit ihrem berühmten Rokokosaal am 24. Oktober 2007. Möglich geworden war auch dies mit Hilfe der GAAB.

    MS Welcher Moment, welches Ereignis in der Geschichte der GAAB hat Sie am stärksten berührt und warum?

    AS Das war der Tod von Claudia Kleinbub. Sie starb 2016 im Alter von 51 Jahren. Seit 2005 hatte sie unserer GAAB als »Verbindungsfrau« zur Bibliothek zur Seite gestanden. Die promovierte Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der HAAB betreute mit großer Hingabe unsere Zeitschrift »Supralibros«. Diese Zeitschrift war ihr Lieblingskind. Sie erstellte Kataloge und sie betreute Ausstellungen im Renaissance-Saal der Bibliothek, Ausstellungen, die die GAAB zu einem wesentlichen Teil finanziert hatte. Claudia Kleinbub hat alle Veranstaltungen der GAAB, alle Vorträge mit betreut, alle Tagesfahrten begleitet. Sie war die gute Seele der GAAB. Sie ist für mich unvergessen.

    MS Welche Herausforderungen muss die GAAB in der Zukunft meistern?

    AS Die GAAB muss und wird der Bibliothek bei deren neuen Aufgaben zur Seite stehen, die z. B. in der Digitalisierung der Bestände bestehen. Gleichzeitig wird sie daran mitwirken, die historischen Bestände zu erhalten und sie einer großen Öffentlichkeit als bewahrenswert zu präsentieren. Bibliotheken sind das Gedächtnis der Menschheit, in unserem Falle ist es ein Gedächtnis, das sich in großem Maße auf die wichtige klassische Epoche der Literatur und Kulturgeschichte bezieht, für die das UNESCO-Weltkulturerbe Weimars als Ganzes steht und wozu auch die Herzogin Anna Amalia Bibliothek gehört.

    MS Herzlichen Dank für das Interview.

    Maria Socolowsky

  • 23. März, 2018 — Ein Albaner forscht in der HAAB zu Goethes Begegnungen zwischen Orient und Okzident

    • Evin Cami im Studienzentrum der HAAB in Weimar

    Edvin Cami ist Stipendiat der Goethe-Gesellschaft Weimar und Nutzer der HAAB. Er stammt aus Tirana und hat nach dem Abitur Deutsch für Lehramt an der Universität Istanbul studiert, vorher einen Grundkurs Deutsch und einen Grundkurs Türkisch absolviert. Schon damals wäre er gern nach Deutschland gekommen, aber ein Studium im Westen war zu teuer. In Tirana selbst war ein Lehramtsstudium Deutsch damals (1990er Jahre) nicht möglich. Danach studierte er ein weiteres Jahr an der Universität Graz und arbeitete anschließend als Übersetzer aus zahlreichen Sprachen ins Albanische und schloss noch einen Master in Literatur in Tirana ab. Neben seiner jetzigen Lehrtätigkeit an den Universitäten in Durrës und Tirana promoviert er seit acht Jahren und reist dafür immer wieder nach München, wo die Promotion im Bereich »Neuere Deutsche Literatur« angesiedelt ist.

    Annette Seemann (AS) sprach mit Edvin Cami (EC)

    AS: Herr Cami, wie lautet das Thema Ihrer Dissertation?

    EC: Goethe und seine Literatur- und Kulturbegegnungen zwischen Orient und Okzident. Das dreht sich ganz wesentlich um den Westöstlichen Diwan, aber nicht ausschließlich, denn Goethe war auch beispielsweise stark von indischen und chinesischen Impulsen angezogen.

    AS: Kannten Sie Weimar schon, bevor Sie für die drei Monate hierher kamen?

    EC: Ja, vor 9 Jahren, damals wurde meine Tochter geboren, war ich hier schon einmal zu einer Weimarer Sommerschule. Beim Aufenthalt hoffe ich, meine Dissertation abschließen zu können.

    AS: Und dabei nutzen Ihnen die Bestände der HAAB, nehme ich an?

    EC: Ja, sehr. Immer wieder finde ich Quellen, die mir noch nicht bekannt waren bzw. die ich bisher übersehen hatte. So etwa das Buch von Hans-Günther Schwarz Der Orient und die Ästhetik der Moderne von 2003, in dem er den Orientalismus als zweite Renaissance bezeichnet. Und in der großen Freihandbibliothek finde ich oft etwas ganz anderes als das, was ich ursprünglich gesucht habe.

    AS: Wie beurteilen Sie die Arbeitsbedingungen in der HAAB?

    EC: Sehr gut, sehr persönlich, gerade im Vergleich zu der hocheffektiven, technologisch perfekten, aber anonym funktionierenden Münchner Staatsbibliothek. Hier ist das Personal sehr freundlich und hilfsbereit.

    AS: Wie ist die Situation in den Forschungsbibliotheken in Ihrem Heimatland?

    EC: In Durrës ist es eine zwar neue Bibliothek, doch die Technologie fehlt fast vollkommen. Auch ist es eine Präsenzbibliothek und sie hat sehr allgemeine Bestände, will alle Fachrichtungen bedienen, was im Spezifischen doch viele Wünsche offen lässt.

    AS: Wie wird es nach dem Abschluss der Promotion für Sie weitergehen?

    EC: Ich hoffe, dann eine feste Stelle an der Universität Durrës zu erhalten. Das ist auch wahrscheinlich, da viele Studenten in Albanien Germanistik studieren. Überhaupt ist man sehr germanophil in Albanien. Man ist generell am Westen interessiert, der auch schon vor unserer »Wende« als ein Fenster zur Freiheit erschien. Zuerst war es die deutsche Fußballmannschaft, die als Sympathieträger wahrgenommen wurde.

    AS: Ich nehme an, auch Deutschlehrer sind sehr gefragt in Albanien?

    EC: Ja wirklich, viele Schüler möchten Deutsch lernen, weil sie gerne in Deutschland leben oder zumindest arbeiten würden.

    AS: Lieber Herr Cami, ich drücke Ihnen die Daumen für den Abschluss Ihrer Dissertation, und danke Ihnen sehr für das Gespräch!

    Annette Seemann