Teil der Globensammlung der »Herzogin Anna-Amalia Bibliothek«

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  • 17. September, 2021 — Historisches Reise-Schreibpult aus Eichenholz - Neu in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

    »Als Handgepäck dürfen nur kleine, leicht tragbare Gegenstände, die die Mitreisenden nicht belästigen« mitgeführt werden, heißt es im Band 13 von Brockhaus’ Konversations-Lexikon aus dem Jahr 1903 unter dem Stichwort »Reisegepäck« über das Reisen mit der Eisenbahn.

    Genau ein solches Reise-Schreibpult oder einen Reise-Sekretär konnte die Herzogin Anna Amalia Bibliothek auf der 77. Auktion des Auktionshauses Zisska & Lacher im Juli 2021 erwerben. Das Schreibpult stammt vermutlich aus der Zeit um 1870. Es ist aus Eichenholz gefertigt und mit einem Furnier aus Nussbaum, Ahorn und Obsthölzern sowie mit Messingeinlagen versehen. In geschlossenem Zustand ist das Reise-Schreibpult so groß wie eine Aktentasche. Die Schreibplatte, die durch das Öffnen entsteht, ist angeschrägt und mit Leder bezogen. Die Platte kann an beiden Seiten angehoben werden und gibt zwei größere Geheimfächer frei. Ebenfalls vorhanden sind kleinere Fächer, in denen sich noch zwei gläserne Tintenfässer befinden.

    Solche Schreibpulte sind keineswegs selten und werden in beträchtlicher Zahl auf dem antiquarischen Markt angeboten. Das spricht für die große Verbreitung, die diese Reise-Sekretäre gerade im 19. Jahrhundert hatten. Schon 1820 ist in Krünitz› Ökonomischer Enzyklopädie nachzulesen: »Eine der nothwendigsten Reisegeräthe für den der Platz und Gelegenheit dazu hat, ist die Reiseschatoulle. Sie dient, die Kostbarkeiten, Ringe, Gelder, Wechsel ec. zu verwahren. Papier, Tinte, Feder, Siegellack, Visitenkarten ec. finden darin ihren Platz. […] Herr Blades zu London, Picadilly 177 hat eine neue Reiseschatoulle erfunden, Travelling-writing-desk, die sehr bequem eingerichtet ist, und eine Menge nützliche und nöthige Dinge enthält, und 6 Guinee kostet.«

    Einige Objekt-Beschreibungen antiquarischer Schreibpulte belegen, dass dieses Handgepäck auch auf Feldzügen zum Einsatz kam oder weite Reisen hinter sich hatte, wie z.B. das im Museumsdorf Cloppenburg aufbewahrte Schreibpult eines Kapitäns aus der Wesermarsch, dessen Hölzer auf eine Herkunft aus Indien schließen lassen. Doch auch für das Krankenlager war ein solches Reise-Schreibpult von großem Nutzen. Das Beethoven-Haus in Bonn zeigt auf seiner Website einen Reise-Sekretär, der direkt neben Beethovens Krankenlager stand und auf dem der Komponist sein Testament verfasst hat.

    Welche Geschichte sich hinter dem neu erworbenen Reise-Schreibpult verbirgt, ist leider nicht bekannt. Aber es erzählt doch etwas von der Geschichte des Reisens. Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek widmet dem Thema Reisen im nächsten Jahr eine Ausstellung im Studienzentrum. Neben vielen anderen spannenden Objekten, wie z. B. verschiedenen Reise-Bibliotheken, wird dann auch das jüngst erworbene Reise-Schreibpult zu sehen sein.

    Claudia Streim Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Herzogin Anna Amalia Bibliothek